Allgemeine Medizin

Längst keine Zukunftsvision mehr: Roboter im Operationssaal

Sie werden niemals müde, ihre Hände zittern nicht und ihre Schnitte werden mit größter Präzision geführt: Roboter scheinen die idealen Operateure zu sein. Oder doch nicht?

24.09.2021
Hightech im Operationssaal.  Foto: AdobeStock/romaset Hightech im Operationssaal. Foto: AdobeStock/romaset

Die Szene scheint aus einem Science-Fiction-Film zu stammen: Im OP liegt ein Patient auf dem Operationstisch. Seine Narkose wirkt, er schläft tief. Das Operationsbesteck liegt bereit, doch statt eines Arztes beginnt ein Roboter mit Hightech-Armen, den Patienten zu operieren. Er schneidet, nimmt den Eingriff vor und näht. Eine Zukunftsvision?
Nein, längst Alltag in vielen Kliniken. Robotersysteme werden bei etlichen chirurgischen Eingriffen eingesetzt, beispielsweise in der Orthopädie, der Neurologie, im Hals-Nasen-Ohren-Bereich und auch bei Operationen am Herzen. Und das schon seit den 1990er-Jahren, als „Robodoc“ in mehr als 100 deutschen Operationssälen zum Einsetzen von Hüftgelenksprothesen genutzt wurde. Allerdings hat „Robodoc“ in vielen Fällen fehlerhaft gearbeitet. Heute ist er längst ausrangiert.
Die Forschung auf diesem Gebiet aber ging weiter. Jedem Experten ist klar, dass eine hochtechnisierte Unterstützung überaus sinnvoll ist und zur medizinischen Zukunft gehört. Bei der der Chirurg allerdings im OP die oberste Instanz bei allen Eingriffen ist: Der Roboter wird immer nur der Assistent des Chirurgen bleiben.
Heute funktioniert eine Operation mit Roboter-Assistenz folgendermaßen: Im Vorfeld wurde die zu operierende Körperregion mithilfe der Computertomografie genau vermessen. Der Computer stellt aus diesen Werten ein dreidimensionales Bild her, das dem Chirurgen bei der Operation wichtige Anhaltspunkte gibt. Der Anästhesist bereitet den Patienten auf den Eingriff vor und überwacht die Vitalfunktionen während des Eingriffs. Der Roboter steht bereit. Und der Chirurg sitzt im gleichen Raum vor seiner OP-Konsole und steuert mit einer Art Joystick die Hightech-Arme des Roboters, die absolut präzise Schnitte setzen, so wie der Arzt sie vorgibt. Eine Kamera im OP überwacht das Geschehen und gibt sie an den Computer weiter. Der Arzt sieht dann am 3D-Bildschirm in optimaler Vergrößerung, was gerade im Bauch oder im Thorax des Patienten passiert. Der Computer rechnet genau um, was der Chirurg eingibt oder durch die Joysticks steuert: Der Roboter ist also der verlängerte Arm des Arztes, der winzigste Schnitte im Bereich von zehntel Millimetern ausführen kann, was der menschlichen Hand nicht möglich ist. Zudem haben die Hightech-Arme enorme Bewegungsmöglichkeiten, die das Schneiden, Operieren und Nähen vereinfachen. Neben dem Operationstisch stehen während des kompletten Eingriffs OP-Helfer, die jederzeit eingreifen und assistieren können. Operateur ist und bleibt der Chirurg. Die US-Armee hat dieses System ursprünglich entwickelt, um auch über große Entfernungen Operationen vornehmen zu können. Tatsächlich gab es Fälle, bei denen sich der Chirurg auf der einen Seite des Atlantiks befand und der Patient auf der anderen, wie die Uniklinik RWTH Aachen auf ihrer Webseite informiert.
In Aachen werden Operationsroboter bei verschiedenen Eingriffen eingesetzt

so zum Beispiel in der Urologie. Dr. Christian Bach ist Leiter der dortigen Sektion Robotische Urologie und berichtet, dass sich der Roboter zunächst bei der radikalen Prostatarektomie, also der kompletten Entfernung der Prostata bei Prostatakrebs, bewährt habe. Mittlerweile operiert Dr. Bach mithilfe des Operationsroboters auch die radikale Zystektomie, die komplette Entfernung der Harnblase bei Blasenkrebs, und die partielle und komplette Nephrektomie, die Nierenentfernung bei Nierenkrebs. Der Roboter könne auch „seine Vorteile bei rekonstruktiven Eingriffen wie zum Beispiel der Nierenbeckenplastik bei Verengung des Harnleiters unmittelbar an der Niere ausspielen“. Die minimal-invasive Technik verursache auch ein geringeres Operationstrauma als die traditionelle, offene Chirurgie. Dennoch müsse die Frage, ob ein roboterassistierter Eingriff sinnvoll ist, in jedem Einzelfall und bei jedem Patienten wieder neu geklärt werden. Weil der Arzt eben durch nichts zu ersetzen ist.
(eva)