Allgemeine Medizin

Diabetes Typ 2: Die Zahlen explodieren!

Im Schatten der Corona-Pandemie wächst eine altbekannte Krankheit zur Epidemie heran. Sie ist nicht per se tödlich, doch unter ihren Folgen leiden Betroffene bis zum oft viel zu frühen Tod. Zeit, endlich zu handeln!

27.03.2021

Inzidenz, Risikofaktoren, Folgeerkrankungen – Begriffe, die wir derzeit in der Corona-Pandemie tagtäglich hören und lesen. Darüber drohen Erkrankungen in den Hintergrund zu treten, die schon lange existieren, aber nicht minder bedrohlich für die Patienten sein können – wenn auch erst Jahre später. So auch Diabetes mellitus Typ 2, der wegen des hohen Blutzuckers den Namen „Zuckerkrankheit“ bekam. Die Erkrankung tut nicht weh, bleibt deshalb lange unerkannt – und ist doch so gefährlich. Denn dauerhaft hoher Blutzucker schädigt Nerven und Gefäße. Zu den Folgeerkrankungen zählen häufigere Herzinfarkte, Schlaganfälle sowie Schäden an Augen, Nieren und Füßen als bei Menschen ohne Diabetes.
Laut Deutschem Gesundheitsbericht Dia
betes 2021 leben derzeit rund 8 Millionen Menschen in Deutschland mit dieser Erkrankung. Die Dunkelziffer liegt bei circa 2 Millionen. Die meisten der Betroffenen haben einen Typ 2. Epidemiologen schätzen, dass es bis zum Jahr 2040 in Deutschland 12 Millionen Menschen mit Diabetes geben wird. Sie haben eine fünf bis sechs Jahre niedrigere Lebenserwartung als Menschen ohne diese Erkrankung. Allen Aufklärungs- und Präventionsangeboten zum Trotz konnte man die Neuerkrankungsrate (Inzidenz) von etwa 600.000 pro Jahr nicht senken.

Der Fluch des Überflusses

Schuld an der Entstehung des Diabetes Typ 2 ist unsere moderne Lebensweise: das omnipräsente Überangebot an hochkalorischer, schnell verfügbarer Nahrung bei gleichzeitig geringer körperlicher Tätigkeit. Sie verbindet wiederum zwei Risikofaktoren für Diabetes Typ 2 auf unheilvolle Art miteinander: ungesunde Ernährung und mangelnde Bewegung. Beides führt schnell zu Übergewicht und Fettstoffwechselstörungen. Vor allem Substanzen aus dem Bauchfett und die über die Nahrung aufgenommenen Triglyceride zerstören nach und nach die Betazellen in der Bauchspeicheldrüse. Sie aber produzieren das Hormon Insulin, das nach jedem Essen ins Blut entsendet wird, um den erhöhten Blutzucker schnellstmöglich in die Zellen zu schleusen.
Das Problem: Übergewicht verhindert oder erschwert diesen Prozess. Die Wirkung des Insulins verpufft. Deshalb wird immer mehr Insulin produziert, was letztlich zu einer Insulinresistenz führt.
Längst hat sich Diabetes zu einem weltumspannenden Problem entwickelt, unter dem nicht nur Menschen in den wohlhabenden Industrienationen leiden, sondern auch Erwachsene in aufstrebenden Ländern wie beispielsweise Indien und China.

Brandbeschleuniger Corona

Durch die Corona-Pandemie kam es zeitweise zu einer medizinischen „flächendeckenden temporären Minderversorgung“ der Bevölkerung. Darauf weisen Prof. Dr. med. Monika Kellerer, Präsidentin der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) und Dr. med. Jens Kröger, Vorstandsvorsitzender von diabetesDE – Deutsch Diabetes-Hilfe in ihrem Vorwort zum aktuellen Gesundheitsbericht Diabetes hin. Die Zurückhaltung, Kontrolltermine bei Ärzten wahrzunehmen, war durch die allgemeine Lage groß.
Auch Maßnahmen der Verhaltensänderung wie Ernährungsschulungen, Sportkurse und psychologische Unterstützung konnten in dieser Zeit nicht oder nur in sehr begrenztem Umfang stattfinden.
Sie aber sind zusammen mit regelmäßigen ärztlichen Kontrollen und einem gut eingestellten Blutzucker wichtige Bausteine zur Vermeidung von Folgeerkrankungen. So ist jeder dritte Dialyse-Patient Diabetiker und jeder dritte Diabetiker hat eine Polyneuropathie – eine weitreichende Nervenstörung. Verletzungen am Fuß werden dadurch oft nicht oder sehr viel später erkannt. Und weil Wunden bei Diabetikern auch noch schlechter heilen, drohen diesen Patienten Fuß- oder Beinamputationen – laut Gesundheitsbericht 40.000-50.000 im Jahr. Auch ein Viertel der Schlaganfallpatienten hat Diabetes. Das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist für Diabetiker zwei- bis vierfach erhöht, bei Frauen sogar sechsfach.
Je höher der Blutzuckerlangzeitwert (HbA) ist, desto größer sind diese Risiken. Umgekehrt kann man diese mit jedem Prozentpunkt weniger deutlich senken.
Es lohnt sich also – nicht nur für Typ-2-Diabetiker –, den Blutzucker im grünen Bereich zu halten und gesünder zu leben. (bibi)