Sport, Knochen und Gelenke

Künstliche Gelenke haltbar machen

Bewegungsmangel und Gewichtszunahme können die Haltbarkeit von Hüft- und Knieprothesen beeinträchtigen. Denn ein geschwächter Muskel-, Band- und Sehnenapparat erhöht die Sturzneigung. Auch die Gefahr der Auskugelung steigt.

23.11.2023

Die Gefahr einer Luxation, so heißt die Auskugelung des Kunstgelenks im Fachjargon, steigt, wenn kraftlose Muskeln das Implantat nicht mehr am Platz halten können. Fehl- und Überbelastung des Implantats tragen zum schnelleren Verschleiß bei. Die AE – Deutsche Gesellschaft für Endoprothetik rät Menschen mit Kunstgelenk daher zu einem möglichst täglichen gezielten Training von Kraft, Beweglichkeit, Koordination und Ausdauer sowie zu einer Gewichtskontrolle verbunden mit eiweißreicher Ernährung. Dies sei wesentliche Voraussetzung für die lange Haltbarkeit der Prothese. Die früher vermittelte Sorge der Überlastung eines Kunstgelenks durch maßvolle tägliche Bewegung sei überholt – die Materialien sind heute wesentlich halt- und belastbarer. Laut einer Studie halten heute sechs von zehn Hüftprothesen mindestens 25 Jahre. Dazu beigetragen haben die Verbesserung von Implantat-Materialien und -modellen sowie die Entwicklung schonender OP-Methoden.
Sie sind jedoch nur ein Teil des Erfolgs. „Ein Implantat erfordert auch nach der OP lebenslange Pflege und Aufmerksamkeit“, sagt Prof. Dr. Carsten Perka, Generalsekretär der AE und Ärztlicher Direktor des Centrums für Muskuloskeletale Chirurgie (CMSC) an der Charité Universitätsmedizin Berlin. Ärztinnen und Ärzte würden zwar das neue Gelenk einsetzen, doch die Patientinnen und Patienten leisteten einen ebenso großen – wenn nicht sogar größeren – Beitrag: „Die Lebensweise der Patienten bestimmt mit, ob frühzeitig eine Folgeoperation notwendig wird.“ Der Orthopäde und Unfallchirurg führt aus: „Während wir früher Wechseloperationen wegen Überlastung der Endoprothesen durchgeführt haben, ist heute immer mehr eine verminderte körperliche Aktivität der Grund.“ Diese könne wiederholte Luxationen des Hüftgelenkes, Instabilitäten des Kniegelenks und Stürze durch Gleichgewichts- und Koordinationsschwierigkeiten zur Folge haben. „Wir haben den Eindruck, dass sich ein Teil unserer Patientinnen und Patienten weniger bewegt. Wir sehen viele steife Gelenke und verkürzte und schwache Muskeln“, berichtet Perka. Eventuell sei auch noch das alte Credo von der Schonung des künstlichen Gelenks zu sehr in den Köpfen verankert.
Der natürliche Alterungsvorgang verstärkt das Pro-blem: Ab etwa dem 30. Lebensjahr baut der Körper Muskeln zu Fettgewebe um. Tut man nichts gegen den natürlichen Rückgang der Muskelmasse, der Sarkopenie, verliert der Körper zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr etwa 50 Prozent seiner Muskelmasse. „Frauen sind davon noch stärker betroffen als Männer – sie müssen besonders aufpassen“, sagt Perka. Besonders in Kombination mit brüchigen Knochen, der Osteoporose, steigt bei Stürzen das Risiko, komplizierte Frakturen und Verletzungen zu erleiden. Es gelte deshalb, alle vier Grundpfeiler der Fitness – Kraft, Beweglichkeit, Koordination und Ausdauer – gezielt zu erhalten und möglichst täglich zu trainieren. „Auch kurze Bewegungseinheiten sind nützlich“, erklärt Perka. Ebenso wichtig sei die Gewichtskontrolle: „Es sind vor allem die Gelenke, die das Plus an Körpergewicht tragen müssen und damit auch die Prothesen“, warnt Perka. Mehrgewicht erschwere im wahrsten Sinne des Wortes die Mobilität, bekräftigt auch Prof. Dr. Andreas M. Halder, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC). Viele Menschen werden ab der Lebensmitte schwerer. Häufige Ursachen sind Veränderungen im Hormonhaushalt und die Abnahme der körperlichen Aktivität. Dabei kommt es zum Verlust von Muskulatur und einer Zunahme von Fettgewebe. Deshalb sei eine abwechslungsreiche, gerne mediterrane und eiweißreiche Kost ideal. Ältere Menschen benötigen zum Muskelaufbau mehr Eiweiß als junge. „Um es besser aufnehmen zu können, sollte man es über den Tag verteilt aufnehmen“, so Perka. „Patients can help themselves by preparing for surgery!” (Patienten können sich selbst helfen, indem sie sich auf eine Operation vorbereiten), sagte einst der Pio- nier der Hüftendoprothetik, der britische Chirurg und Orthopäde Sir John Charnley. Dies gilt auch für ein Leben mit Ersatzgelenk, findet PD Dr. Stephan Kirschner, Präsident der AE und Direktor der Klinik für Orthopädie, ViDia Christliche Kliniken Karlsruhe: „Nicht nur eine optimale OP-Vorbereitung, etwa mit Rauchstopp und Gehstützentraining ab sechs Wochen vor OP, sondern auch eine lebenslange Fürsorge für das eigene Implantat hilft Patientinnen und Patienten, möglichst lange mit dem ersten – und bestenfalls letzten – Ersatzgelenk aktiv zu leben.“ Aktuell wird das Konzept der Prähabilitation erforscht, das Patienten helfen soll, besser durch eine Gelenk-Operation zu kommen. Präha, wie die Maßnahme abgekürzt heißt, beinhaltet den Aufbau von Kraft, Beweglichkeit und Ausdauer. Dr. med. Karina E. Bohlen, Fachärztin für Ortohpädie und Unfallchirurgie an der Schön Klinik Hamburg, rät Betroffenen, die sechs bis acht Wochen Wartezeit auf ihre Operation ganz gezielt für die Präha zu nutzen. Da das Konzept von den Krankenkassen noch nicht finanziert wird, ist Eigeninitiative gefragt. Es gilt, den Körper fit zu machen, den Blutfluss anzuregen, beispielsweise mit ein wenig Fahrradfahren morgens im Bett vor dem Aufstehen, sich gut zu ernähren, Gewicht auf- oder abzubauen. Im Internet finden sich Übungen dazu, die jeder problemlos zuhause machen kann.

(ti/red)