Sport, Knochen und Gelenke

Frischer Schwung mit neuer Hüfte

Wenn eine schwere Arthrose die Beweglichkeit der Hüfte bei Frauen in Mitleidenschaft zieht, wird Sex mitunter zu einer schmerzhaften Angelegenheit. Ein künstliches Hüftgelenk kann in diesem Fall dafür sorgen, die sexuelle Zufriedenheit wieder deutlich zu verbessern.

24.09.2021
Das Einsetzen einer Hüftprothese ist angesichts von über 200  000 Fällen pro Jahr eine Routine-Operation.  Archivfoto: dpa Das Einsetzen einer Hüftprothese ist angesichts von über 200 000 Fällen pro Jahr eine Routine-Operation. Archivfoto: dpa

Kolumbianische Wissenschaftler haben sich im Rahmen einer aktuellen Studie, an der 56 Frauen im Durchschnittsalter von 58 Jahren teilnahmen, mit den Auswirkungen eines künstlichen Hüftgelenks auf das Sexualleben von Frauen beschäftigt. Sie sind dabei zu dem Schluss gekommen, dass eine „neue“ Hüfte einen positiven Effekt haben kann und zu einer Verbesserung in diesem Bereich führt.
Einschränkungen der Sexualfunktion durch stark arthrotisch veränderte, schmerzhafte Hüftgelenke sollten deshalb stärker bei der Indikation für eine Hüftprothese berücksichtigt und nicht tabuisiert werden, sagt die AE

Deutsche Gesellschaft für Endoprothetik. Entsprechend könnte die geeignetste OP-Methode und das passende Implantat gewählt werden.
Wer vor einer Hüftoperation steht, leidet meist an starken Schmerzen und deutlichen Bewegungseinschränkungen. Laut der American Association of Hip and Knee Surgeons (AAHKS) haben 75 Prozent der Patienten mit schmerzhafter Hüftarthrose ihre sexuelle Aktivität eingeschränkt oder sogar ganz eingestellt. Für die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist sexuelle Gesundheit jedoch eng mit Wohlbefinden und Lebensqualität verbunden. „Die Möglichkeit, schmerzfrei und unbeschwert Sexualität ausüben zu können, gehört zu einem guten Leben dazu“, sagt auch Professor Dr. med. Karl-Dieter Heller, AE-Präsident und Ärztlicher Direktor der Orthopädischen Klinik am Herzogin-Elisabeth-Hospital in Braunschweig.
Vor dem Einsatz eines künstlichen Hüftgelenks sollte das Thema Sex daher offen besprochen werden. Denn die Fortschritte bei OP-Techniken und Implantaten erlauben heute einen deutlich größeren Umfang an Hüftbeugung, -drehung und -spreizung und haben damit auch das Spektrum der möglichen Sexpositionen mit Hüftersatz erweitert. „Zum einen verringern minimalinvasive Operationszugänge das Verletzungsrisiko von Muskeln“, sagt Heller. „Und je nach gewähltem Zugang kann man den Patienten davor schützen, dass bei bestimmten Bewegungen der Prothesenkopf aus der Hüftpfanne springt.“
Die Angst vor einer solchen schmerzhaften Auskugelung kann das Sexleben stark einschränken, sagt Professor Dr. med. Carsten Perka, Generalsekretär der AE und Ärztlicher Direktor des Centrums für Muskuloskeletale Chirurgie an der Berliner Charité. Dabei gilt: „Je erfahrener der Operateur, desto weniger Risiko.“ Die Wahl des richtigen Implantats, dessen Positionierung, der Schutz der Muskulatur und die Anpassung an die individuellen anatomischen Verhältnisse führen dazu, dass die Hüfte in alle Richtungen frei beweglich und dennoch stabil sei, so Perka weiter.
Trotzdem gilt es, zwei wichtige Regeln zu beherzigen. Erst nach etwa drei Monaten ist die schützende Kapsel um das Hüftgelenk wieder voll ausgebildet. „Ein Auskugeln der Hüftprothese droht deshalb vor allem in der Frühphase nach der Operation, wenn Kapsel und Muskulatur um das Gelenk noch sehr instabil sind“, sagt Heller. Deshalb sollte man in dieser ersten Zeit nichts überstürzen. Außerdem ist großer Krafteinsatz unbedingt zu vermeiden. Je nach gewähltem Operations-Zugang sind bestimmte Bewegungsrichtungen erst später wieder erlaubt, auch sollte das maximale Bewegungsspektrum zunächst nicht voll ausgeschöpft werden. „Bei Schmerzen besser sofort stoppen und gegebenenfalls die Position wechseln“, betont Heller.
Wenn bei Gelenk-Erkrankungen konservative Behandlungsmethoden nicht mehr ausreichen, ist das Einsetzen von Implantaten in Deutschland keine Seltenheit. Rund 400

000 künstliche Gelenke werden hierzulande jedes Jahr operativ eingesetzt, bei der Hälfte handelt es sich um künstliche Hüftgelenke. Je nach Ausprägung und Krankheitsgrad können mit der Hüftkopfprothese, der Hüftschaftprothese, der Hüftkappenprothese und der Hüfttotalendoprothese (Hüft-TEP) verschiedene Typen künstlicher Hüftgelenke zum Einsatz kommen. Im Rahmen der technischen Entwicklung in der Orthopädie werden immer weitere Hüftprothesen entwickelt.
Trotz der medizinischen Routine haben Patienten viele Fragen rund um die Hüftprothese und es ist wichtig, sie mit dem Arzt abzuklären. Dabei geht es um viele Aspekte des täglichen Lebens, etwa wie es nach der Operation um die Arbeitsfähigkeit oder Sport steht. Das Liebesleben ist dabei noch oft ein Tabuthema. Laut Umfragen sprechen 80 Prozent der Patienten, die ein künstliches Hüftgelenk erhalten haben, nicht mit ihrem Arzt über Sex.

(red)