Sport, Knochen und Gelenke

Rätsel um Achillessehne gelöst!

Achilles war ein Held und die nach ihm benannte Ferse weltberühmt. Forscher entdeckten jetzt eine bislang unbekannte Gewebebrücke, die für Stabilität zwischen Sehne und Knochen sorgt.

15.08.2017
Die Achillessehne ist stärker, als ihre zarte Erscheinung vermuten lässt.  Foto: AdobeStock_Peter Atkins

Beim Gehen, Laufen oder Rennen steht die Achillessehne unter enormem Druck. Sie verbindet Fersenbein und Wadenmuskel. Vor allem bei Sprüngen kann die Belastung das Zehnfache des Körpergewichts betragen.
Im Normalfall hält die Verbindung zwischen Fersenbein und Achillessehne diesen immensen Kräften trotzdem stand. Damit gilt sie als die stärkste Sehne des Menschen, die nach dem griechischen Helden Achilles benannt wurde.

Sehnenverletzungen genau erforscht

Warum die Sehne so stark ist hat ein interdisziplinäres Team aus Medizinern, Physikern, Chemikern und Ingenieurwissenschaftlern der Technischen Universität München (TUM) nun herausgefunden. „Obwohl in der Orthopädie tagtäglich Patientinnen und Patienten mit Sehnenverletzungen behandelt werden, wissen wir noch immer sehr wenig über den genauen feingeweblichen Aufbau am direkten Übergang von der Sehne zum Knochen: Die biochemischen Vorgänge, die Mikromechanik und die Mikrostruktur des Gewebes sind bisher kaum erforscht“, berichtet PD Dr. Rainer Burgkart, Oberarzt und Forschungsleiter am Lehrstuhl für Orthopädie und Sportorthopädie der TUM.
Zusammen mit einem interdisziplinären Team hat der Mediziner im Rahmen des neugegründeten Center for functional Protein Assemblies (CPA) und der Munich School of Bioengineering (MSB) das Geheimnis der Achillessehne entschlüsselt.

Feine Fasern, perfekter Halt

Zwischen Sehnen und Knochen entdeckten die Experten eine Gewebeschicht, die aus extrem dünnen Proteinfasern besteht und für eine ex-trem hohe Stabilität sorgt. Denn tatsächlich reißt eher die Sehne, als dass sich die Verbindung zum Knochengewebe löst. „Dass die Sehnen direkt am Knochen ansetzen, das war bislang die Annahme. Tatsächlich gibt es jedoch einen Übergangsbereich. Hier spleißt sich das Sehnengewebe auf in Dutzende von feinen Fasern mit einer ganz charakteristischen biochemischen Zusammensetzung“, erklärt Prof. Andreas Bausch, Inhaber des Lehrstuhls für Zellbiophysik und Leiter der interdisziplinären Forschungsgruppe. „Die dünnen Fasern sind fest in der zerklüfteten Oberfläche des Knochens verankert und mechanisch äußerst belastbar.“

Mikroskopische Untersuchungen

Entdeckt wurden die feinen Fasern durch einen neuen, interdisziplinären Forschungsansatz: „Die Innovation der Arbeit liegt darin, dass wir verschiedene medizinische, physikalische und ingenieurwissenschaftliche Verfahren kombiniert haben“, so Bausch.
Ein Stück Schweineknochen mit Sehne, in der Orthopädie sorgfältig präpariert, wurde am Lehrstuhl für Zellbiophysik in eine Apparatur eingespannt und fixiert. Dann richteten die Forscherinnen und Forscher das Mikroskop auf die Grenzschicht, entlang derer die Sehne mit dem Knochen verwachsen ist.
Mithilfe der Multiskalen-Mikroskopie-Technik wurden Dutzende von Aufnahmen erstellt und digital zu einem großen Bild zusammengeführt. „Auf diese Weise konnten wir die Struktur der feinen, aufgespleißten Fasern sichtbar machen“, berichtet der Forschungsgruppenleiter.

Andere biochemische Zusammensetzung

Im nächsten Schritt verwendete das Team fluoreszierende Antikörper, um bestimmte Proteine zum Leuchten zu bringen. Hier zeigte sich, dass die dünnen Fasern eine andere biochemische Zusammensetzung haben als die eigentliche Sehne.
Im dritten Teil des Experiments bewegten sie die Sehne unter Belastung hin und her und filmten dabei die Fasern.
Das Ergebnis: Je nach Belastungsrichtungen sind unterschiedliche Fasern aktiv und stabilisieren den Kontakt.
Ergänzt wurden die lichtmikroskopischen Untersuchungen durch besonders hochauflösende Bilder eines Elektronenmikroskops. Mitarbeiter des Lehrstuhls für Medizinische Biophysik setzten außerdem einen Mikro-Computertomographen ein, mit dem sich die Grenzregion dreidimensional darstellen ließ. Am Lehrstuhl für organische Chemie wurden die unterschiedlichen Proteine in Sehnen und Übergangsfasern analysiert.

Ansätze für die Medizin der Zukunft

„Unsere Ergebnisse erlauben es erstmals, die biochemischen und biomechanischen Prozesse in der Kontaktzone zwischen Knochen und Sehne zu verstehen, die unserem Bewegungsapparat seine enorme Stabilität verleihen“, fasst Bausch die Ergebnisse zusammen. Mögliche Anwendungen ergeben sich sowohl in der Materialforschung als auch in der Medizin: Ingenieurtechnisch könnten innovative Verbindungen zwischen festen und weichen Stoffen hergestellt werden. Und in der Orthopädie sollen die Erkenntnisse genutzt werden, um künftig in der Tumorchirurgie Sehnen an Implantate zu refixieren. (red)