Sport, Knochen und Gelenke

Kunstgelenke besser verankern

Die Prothesen-Operationen in Deutschland nehmen zu. Leider wachsen nicht alle Kunstgelenke optimal am Knochen ein. Ein junger Forscher ist der Lösung des Problems auf der Spur.

01.02.2017

Rund 370.000 Menschen in Deutschland haben im Jahr 2014 ein neues Hüft- oder Kniegelenk bekommen. Die Eingriffszahlen sind der zunehmenden Alterung der Bevölkerung geschuldet. Aber auch Wiederholungs-Operationen treiben die Fallzahlen in die Höhe. Der Vorwurf, dass Endoprothesen in Deutschland zu früh und zu häufig implantiert würden, sei jedenfalls nicht haltbar, sagte Professor Dr. med. Heiko Reichel, Ärztlicher Direktor der Orthopädischen Universitätsklinik Ulm am RKU auf dem Deutschen Kongress der Orthopäden und Unfallchirurgen (DKOU) Ende Oktober in Berlin: „Die Eingriffe erfolgen indikationsgerecht und mit geringen Komplikationsraten.“

Starke Schmerzen als Grund

Grund für den Ersatz ist meist eine fortgeschrittene Arthrose, die den Knorpel und schließlich das Gelenk zerstört: Häufig leiden die Betroffenen dann unter starken Schmerzen und Bewegungseinschränkungen. Wie lange ein Kunstgelenk hält, hängt von mehreren Faktoren ab – etwa vom Krankheitsbild des Patienten, den Begleiterkrankungen und der Beanspruchung, aber auch von der Operationstechnik und den Materialien des Implantats.
Vor wenigen Wochen erst wurden der Orthopäde Andreas Baranowski von der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz mit dem Boehringer-Ingelheim-Preis im Bereich klinische Medizin ausgezeichnet. Der Forscher fand eine Möglichkeit, wie man Hüft-Prothesen künftig besser verankern kann. Das Problem: Häufig bilden sich an der Schnittstelle zwischen der Endoprothese und dem Hautgewebe Entzündungen, die das Einwachsen des Ersatzgelenks erschweren und dessen Funktionalität und Stabilität gefährden.

Körpereigene Abwehr überlisten

Beschichtet man Prothesen aus Titan dagegen mit bestimmten körpereigenen Eiweißzellen, betrachtet der Körper diese nicht als Fremdkörper, sondern aktiviert knochenspezifische Gene, die eine bessere Verankerung mit den Knochen und Geweben bewirken.
Bis zur Marktreife sind zwar noch weitere Forschungen nötig, aber die Entdeckung gilt als hoffnungsvoller Durchbruch in der Endoprothesen-Chirurgie. Das ist umso wichtiger, als der Bedarf an Hüftprothesen durch die alternde Gesellschaft weiter steigt, sagte der Mediziner in seiner Dankesrede am 26. Oktober in Mainz. Trotz dieser Fortschritte in Medizin und Wissenschaft sollten Kunstgelenke nur dann zum Einsatz kommen, wenn die individuelle Lebenssituation des Patienten dies notwendig mache und das eigene Gelenk nicht mehr erhalten werden könne, so Prof. Reichel. (red)