Augen, Nase und Ohren

Audiotraining: Hören wieder erlernen

Ein Hörgerät ist keine Brille. Selbst mit den besten Systemen muss man Sprache erst wieder hören lernen, bevor man sie voll und ganz versteht.

20.08.2018
Selbst mit einem Hörgerät muss man Sprache erst wieder verstehen lernen.  Foto: Olaf Malzahn Selbst mit einem Hörgerät muss man Sprache erst wieder verstehen lernen. Foto: Olaf Malzahn

Wie ein Muskel verkümmert, den man nicht mehr bewegt, so kann man auch das Hören verlernen, wenn man akustisch nichts mehr oder nicht mehr alles wahrnimmt. Diese „Hörentwöhnung“ führt dazu, dass man Sprache nicht mehr zu 100 Prozent versteht. Die gute Nachricht: Man kann das Hören auch wieder erlernen. Mit einem passenden Hörsystem und einem Audiotraining. Beides ist nötig. Denn die Anpassung eines Hörgeräts ist eine komplizierte Angelegenheit, bei der sich der Akustiker langsam an die individuellen Bedürfnisse des Schwerhörigen herantasten muss.

Feinanpassung dauert Wochen

Einfach nur die Töne laut zu stellen, ist kein Konzept, wie Marianne Frickel Hörakustiker-Meisterin und Präsidentin der Bundesinnung der Hörakustiker gegenüber der Zeitschrift MMW – Fortschritte der Medizin erklärte. Für einen Betroffenen, der die stimmlosen Konsonanten nicht mehr hören kann, würde die Sprache dann lediglich blechern klingen. „Selbst wenn man eigentlich noch ganz gut hört, versteht man Sprache schlecht, weil die gesamten hochfrequenten und stimmlosen Laute nicht mehr übertragen werden, vor allem in geräuschvoller Umgebung“, so Frickel. „Deshalb stellen wir im Zuge einer Feinanpassung erst nach und nach, z. B. im Vier-Wochen-Rhythmus, die Hörsysteme auf den eigentlichen Hörschaden ein, damit die Betreffenden sich langsam an diesen Klang gewöhnen können.“ Ein Prozess, der sich über Jahre hinziehen könne, aber sehr erfolgreich sei.

Hörsituationen analysieren

Dafür muss man zunächst einmal bereit sein, die individuelle Hörsituation, die der Betroffene erlebt, zu beachten und das Hörtraining darauf anzupassen. Ob jemand nun die Arbeiter auf einer lauten Baustelle verstehen muss, abends ins Restaurant geht oder ein Konzert besucht – all diesen Situationen muss ein Hörsystem Rechnung tragen – und kann es auch. „Heute haben alle Hörsysteme mindestens vier solcher Programme, inklusive Störschallunterdrückung und Richtungshören“, so die biha-Präsidentin. Ziel sei es, hörgeschädigten Menschen zu einer verbesserten Kommunikation zu verhelfen.
Das Problem sei jedoch, dass von Beginn der Schwerhörigkeit bis zur passenden Versorgung mit Hörgeräten mitunter Jahre vergehen. Jahre, in denen Betroffene noch glaubten, die schlechte Aussprache der anderen sei am schlechten Hören schuld. Zeit, in denen das Sprachverstehen immer weiter zurückgehe, so Frickel. Denn liege dieses irgendwann nur noch bei 50 Prozent, könne man das auch mit einem Hörsystem zunächst einmal nicht wiederherstellen. Deshalb sei es wichtig, dass man sich irgendwann diesem Problem stellt und einen Hörtest machen lässt. (red)