Alters- und Palliativmedizin

Schluckstörungen schneller behandeln

Mehr als fünf Millionen Menschen sind hierzulande davon betroffen, vor allem nach einem Schlaganfall, aber auch Kinder und ältere Erwachsene.

15.11.2016

Der Schluckreflex funktioniert automatisch wie das Atmen. Denn beide Funktionen sind lebensnotwendig. Würde man jedes Mal darüber nachdenken und sich anstrengen müssen, wäre das viel zu gefährlich. Gesteuert wird dieser Prozess deshalb im Hirnstamm, dem ältesten Teil des Gehirns sowie in sogenannten kortikalen Zentren. Bestimmte Hirnnerven empfangen dann aus Mundhöhle, Rachen und Kehlkopf Reize, die vom Essen oder Trinken herrühren. Aber auch der sich permanent bildende Speichel löst einen Schluckreflex aus. Dabei schließt sich die Kehlkopfklappe, damit nichts in die Luftröhre dringen kann.
Durchschnittlich 2000-mal am Tag schluckt der Mensch also, ohne darüber nachdenken zu müssen, etwas vermindert sogar im Schlaf. Doch was für die meisten Menschen selbstverständlich erscheint, ist für viele nicht mehr möglich. Nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie e.V. leiden je nach Altersgruppe zwischen 1,7 und 11,3 Prozent aller Menschen unter einer Schluckstörung (Dysphagie. Dadurch ist die Lebensqualität enorm beeinträchtigt, was wiederum eine psychische, soziale und gegebenenfalls berufliche Reintegration erschwert.

Lungenentzündung, früherer Tod

Bei Erwachsenen sind es häufig Tumoren im Kopf-Hals-Bereich, die für eine Dysphagie verantwortlich sind. Im Alter können Schluckstörungen im Rahmen von Demenzen auftreten. Die häufigsten Ursachen sind jedoch Schlaganfälle. Gründe dafür, dass immer mehr Menschen an einer Dysphagie leiden, sind die zunehmende Altersstruktur der Gesellschaft, aber auch die verbesserte medizinische Akutversorgung, die Menschen selbst mit schwerwiegenden Erkrankungen noch retten kann. Dabei geht es nicht um Schluckstörungen, die im Rahmen von Infektionen auftreten können oder durch Sodbrennen oder Rachenschmerzen verursacht werden. Bei dieser Art der Dysphagie gerät der Speisebrei beim versehentlichen Verschlucken in die Luftröhre. Dies kann zu einer gefährlichen Lungenentzündung führen, aber auch zu Fehl- und Mangelernährung, warnen Experten. Längere Krankenhausaufenthalte und ein Versterben an einer Lungenentzündung sind keine Seltenheit.
Leider wird diese Schluckstörung nicht rechtzeitig erkannt und behandelt. Allein bei Schlaganfall-Patienten funktioniere die Diagnostik meist heute sehr gut. Zum Beispiel in den „Stroke-Units“, Abteilungen, die speziell Schlaganfälle behandeln. Dort gibt es eine sehr gute Dysphagiediagnostik und -therapie. Auch für Schluckstörungen infolge einer Kopf-Hals-Tumor-Erkrankung gibt es umfassende Versorgungskonzepte. Nur demente Menschen fallen häufig durchs Raster. Experten raten Angehörigen von Betroffenen deshalb, besonders auf Schluckstörungen zu achten und im Zweifelsfall einen HNO-Arzt aufzusuchen. Die Therapie besteht aus Schluckübungen, stützenden Techniken, einer Ernährungsanpassung, Medikamenten oder einer Operation. Erst wenn es gar nicht mehr alleine geht und die Infektionsgefahr zu groß ist, kommt auch eine Ernährung per Magensonde oder ein Luftröhrenschnitt (Tracheostoma) in Betracht. (red)