Allgemeine Medizin

Darmerkrankungen auf der Spur

Er ist das wichtigste Verdauungsorgan und der Hort unseres Immunsystem: der Darm. Umso schwerer wiegt es, wenn er dauerhaft krank wird. Doch wie entstehen solche chronische Entzündungen überhaupt?

27.06.2017

Immer wieder auftretende Bauchschmerzen, -krämpfe oder Durchfall – dahinter könnten chronische Darmerkrankungen wie Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn stecken. Diese beruhen auf Fehlern der körpereigenen Immunabwehr, treten in Schüben auf.
Wo genau die Ursachen liegen, ist immer noch unklar. Nun haben Wissenschaftler des Helmholtz Zentrums München und der Johannes Gutenberg-Universität Mainz entdeckt, dass ein neuer Mechanismus die Entzündung im Darm verursacht.

Immunsystem aus der Balance

Wie das Team um Dr. Elke Glasmacher, Dr. Nadine Hövelmeyer und Prof. Dr. Ari Waisman in der „Nature Communications“ schreiben, führt offenbar ein „Zuviel“ des bekannten Onkogens Bcl-3 zu chronischen Darmerkrankungen und bringt so das Immunsystem aus dem Gleichgewicht. „Gemeinsam mit unseren Kooperationspartnern konnten wir zeigen, dass das Protein Bcl-3, was auch bei verschiedenen Krebserkrankungen eine Rolle spielt, im Darm von Colitis-Patienten erhöht und tatsächlich der Auslöser der Krankheit ist“, so Hövelmeyer, Arbeitsgruppenleiterin am Mainzer Institut für Molekulare Medizin. Seine Wirkung auf die Darmgesundheit entfaltet Bcl-3 der Studie nach in den sogenannten regulatorischen T-Zellen (Tregs). Sie sind eigentlich dafür zuständig, überschießende Reaktionen des Immunsystems zu verhindern und eine Toleranz gegenüber dem eigenen Körper aufzubauen.

Genblockade im Blick

„Wir konnten zeigen, dass Bcl-3 die Aktivierung von Tregs unterbindet, indem es das Ablesen dafür notwendiger Gene verhindert“, erklärt Glasmacher, Gruppenleiterin am Institut für Diabetes und Adipositas des Helmholtz Zentrums München und Wissenschaftlerin im Deutschen Zentrum für Diabetesforschung (DZD). „Denn Bcl-3 interagiert mit dem Transkriptionsfaktor p50, der für die Aktivierung zuständig wäre, und blockiert ihn.“

Zellen lösen Entzündungen aus

Die Folge: Die regulatorischen T-Zellen bleiben passiv, das Immunsystem wird nicht mehr reguliert und die Entzündungsprozesse kommen in Gang. „Im Modellversuch hatte sich gezeigt, dass bei erhöhten Mengen an Bcl-3 bestimmte Zellen in den Darm einwandern und dort starke Entzündungen auslösen“, so die Erst-Autorin der Publikation Dr. Sonja Reissig, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Universitätsmedizin Mainz. „Die Ergebnisse tragen wesentlich zu unserem Verständnis von chronischen Darmentzündungen bei und sollen langfristig neue Angriffspunkte für Therapien aufdecken“, blickt Hövelmeyer voraus. (red)