Haut, Haare und Ästhetik

Was ist schön?

Schönheitsideale kommen und gehen. Was heute als schön empfunden wird, kann morgen überholt sein. Nicht erst im Social-Media-Zeitalter prägt die Gesellschaft das Empfinden für Schönheit - das war schon vor Jahrhunderten so.

15.06.2022
Foto: Lilium Klinik

Dr. med. Reinhard Titel
Facharzt für Chirurgie und Unfallchirurgie sowie Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie
LILIUM Klinik Wiesbaden



Ein makelloser Teint dürfte fast immer genannt werden, wenn es darum geht, was als schön empfunden wird. Aber Schönheitstrends verändern sich im Laufe der Zeit: Während in den 1950ern beispielsweise die Kurven von Marilyn Monroe angesagt waren, eiferten in den 60ern viele Frauen der überschlanken und knabenhaften Silhouette von Model Twiggy nach. In den 2000ern standen Dekolletés à la Pamela Anderson im Vordergrund und wurden etwa zehn Jahre später schon wieder – Kim Kardashian und Jennifer Lopez sei Dank – von dem Ideal eines üppigen Hinterteils abgelöst. „Schönheitsideale unterliegen einem ständigen Wandel. Aktuell geht der Trend beispielsweise wieder zu mehr Natürlichkeit – viele Menschen wollen ihr Aussehen optimieren, aber es soll nicht offensichtlich gemacht aussehen“, sagt Dr. med. Joachim Graf von Finckenstein, plastischer und ästhetischer Chirurg und Leiter der Praxisklinik in den Seearkaden Starnberg.
Doch was ist schön? Grundsätzlich werden symmetrische Gesichter und Körper als attraktiv empfunden, denn Symmetrie steht bei Menschen, Tieren oder Pflanzen als Zeichen für Gesundheit und Fruchtbarkeit. „Als besonders schön nehmen wir Gesichter wahr, die den Regeln des Goldenen Schnitts folgen – also bestimmte Abstandsverhältnisse zueinander aufweisen. So sollten beispielsweise die Nasenflügel nicht breiter sein als der Abstand zwischen den beiden Augen“, erklärt Dr. von Finckenstein. Eine Schokoladenseite gibt es laut Forschern der Wake Forest University übrigens auch: Die linke Gesichtshälfte empfinden viele Menschen unbewusst als attraktiver, da sie Emotionen stärker zum Ausdruck bringt.
Letztendlich beeinflusst jedoch die Gesellschaft das Schönheitsempfinden. Trends entstehen, weil sich viele an Vorbildern wie Prominenten oder Influencern orientieren. Das war früher nicht anders: Königinnen und Fürstinnen prägten Schönheitsideale. So beispielsweise die legendäre Kaiserin Elisabeth von Österreich (1837-1898), die zeitlebens für ihre schlanke Linie exzessiven Sport betrieb, was in der k.u.k-Monarchie des 19. Jahrhunderts etwas ganz Neues war. Sisi betonte ihre prächtigen dunklen Haare mit aufwendigen Frisuren und Haarschmuck, schminkte sich aber nicht, sondern verwendete pflegende Kosmetik und setzte damit das Ideal der natürlichen Schönheit.
Das war in den Jahrhunderten vorher noch ganz anders: Beispielsweise im Barock wurden vor allen an Frauen üppige Formen geschätzt, bevor ab Mitte des 17. Jahrhunderts die „Sanduhrfigur“ mit geschnürter, schmaler Taille als schön galt. Voluminöse Reifröcke halfen, die Taille winzig erscheinen zu lassen. Besonders in der französischen Aristokratie wurde im 18. Jahrhundert extrem viel Schminke eingesetzt: Hell geschminkte Gesichter mit roten Wangen und Lippen sowie aufgeklebte Schönheitspflästerchen galten als attraktiv. Die Frisuren wurden weiß gepudert und wuchsen in gigantische Höhen - der Aufwand, der dafür betrieben wurde, war immens. Ebenso befremdlich erscheint uns heute das Schönheitsideal der „hohen Stirn“ der italienischen Frührenaissance (ca. 1420 - 1500), für die sich die Damen den Haaransatz höher rasierten oder die (möglichst blonden) Haare an der Stirn auszupften.
Dagegen erscheint „Die Schöne, die da kommt“, so der frei übersetzte Name der ägyptischen Königin Nofretete, geradezu einem modernen Schönheitsideal zu entsprechen: Ihre Porträtbüste von ca. 1350 v. Chr. zeigt harmonische Gesichtszüge, die mit rotem Lippenstift und schwarzem Lidstrich betont sind. (eva)