Haut, Haare und Ästhetik

Neues Geheimnis der Wundheilung gelüftet

Die Haut verfügt über einen klugen Reparaturmechanismus. Doch manche Narben geraten schöner als andere. Schweizer Forscher haben nun entschlüsselt, was die Heilung der Haut noch beeinflusst.

01.07.2020
Foto: Lilium Klinik

Dr. med. Reinhard Titel
Facharzt für Chirurgie und Unfallchirurgie sowie Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie
LILIUM Klinik Wiesbaden



Wer sich verletzt, hofft auf eine rasche Heilung. Doch Wunden, die zu schnell heilen, heilen schlecht. Schuld daran ist die Konzentration bestimmter Wachstumsfaktoren. Steigen diese zu stark an, schießt der Heilungsprozess übers Ziel hinaus. Wulstige (im Fachjargon: hypertrophe) Narben sind dann die Folge. Auch die umliegende Haut verliert einen Teil ihrer Elastizität. Das ist das Ergebnis von Untersuchungen von zwei Forschungsgruppen um Sabine Werner vom Institut für Molekulare Gesundheitswissenschaften und Edoardo Mazza vom Institut für Mechanische Systeme.

Vielschichtige Mechanismen

Wie die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift Nature Communications berichten, haben sie die komplexen Mechanismen genauer aufgeschlüsselt, die den Prozess der Wundheilung (und Narbenbildung) steuern.
Im Fokus der aktuellen Arbeiten steht ein Signalmolekül: Activin. Es spielt sowohl bei der Wundheilung als auch bei Krebs eine wichtige Rolle. „Wir haben gezeigt, wie tiefgreifend sich ein einzelnes Signalmolekül auf das komplexe Zusammenspiel von Zellen und ihrer Matrix auswirkt“, sagt Werner.
Gibt es mehr Activin in der Wunde, entwickeln sich mehr Bindegewebszellen und auch die Zusammensetzung der extrazellulären Matrix verändert sich. In diesem Gerüst, das von den Zellen produziert wird und sie umschließt, sammelt sich bei erhöhten Activin-Konzentrationen mehr Kollagen an und die Kollagenfasern sind untereinander auch stärker vernetzt. So heilt die Wunde zwar rascher, aber das verletzte Gewebe versteift und verhärtet sich.
Während ihrer disziplinenübergreifenden Zusammenarbeit haben die Forschenden viel voneinander gelernt. Während die Ingenieure ihren Kenntnishorizont mit biochemischen und bioinformatischen Analysen des molekularen Geschehens in der Wunde erweiterten, betraten die Biologen bei der Entwicklung der Messverfahren Neuland. Herausgekommen ist eine Methode, mit der sich die biomechanischen Eigenschaften eines heilenden Gewebes erstmals in vivo messen lassen.

Heilungsverlauf beeinflussen

Künftig ließe sich damit der Heilungsverlauf einer Wunde frühzeitig diagnostizieren – und vielleicht sogar beeinflussen, hofft Werner. Wenn etwa eine Wunde einen chronischen Verlauf zu nehmen drohe, wäre ein Eingriff denkbar, der Activin oder von Activin beeinflusste Matrixproteine anreichere und so den Heilungsprozess beschleunige, so die Forscherin. Bei Verletzungen im Gesicht wäre eher eine Methode gefragt, die den Heilungsprozess verlangsame und dafür die Narbenbildung verringere. (red)