Frauen- und Männergesundheit

Künstliche Harnblase statt Urinbeutel

Bei Blasenkrebs im Spätstadium ist die Entfernung des Organs oft die einzige Option. Dabei kann eine künstliche Blase den Urinbeutel ersparen und die Lebensqualität erhalten.

24.02.2016
Foto: Alexander Sell

Dr. Clara Park
Radiologin
RNS Gemeinschaftspraxis
Wiesbaden



Harnblasenkrebs ist mit jährlich rund 28.000 Neuerkrankungen der zweithäufigste urologische Tumor. Muss die Blase wegen einer fortgeschrittenen Erkrankung entfernt werden, kann eine Ersatzblase die Lebensqualität weitgehend erhalten. „Natürlich können Ersatzblasen nie so gut sein wie die eigene gesunde Blase, aber sie ermöglichen den Patienten einen zufriedenstellenden Ersatz ohne das Stigma des Urinbeutels“, sagte Prof. Dr. Stephan Roth, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Urologie e.V. (DGU) auf dem DGU-Kongress 2015 in Hamburg. „Besonders jüngere Patienten und Patientinnen profitieren bei einer kontinenten Harnableitung von einer hohen Lebensqualität; die körperliche Integrität bleibt erhalten, sie können Sport treiben, sogar unbelastet schwimmen gehen.“

Methoden für Männer und Frauen

Bei der funktionserhaltenden Operation wird der Blasenersatz an die Harnröhre angeschlossen, sodass der Patient auf natürlichem Wege Wasser lassen kann. Dieses Verfahren bietet sich vorwiegend bei Männern an. Bei Frauen hingegen ist die „Bauchnabelblase“ die Therapie der ersten Wahl. Prof. Dr. Roth: „Hierbei wird ebenfalls aus dem Darm ein Reservoir konstruiert, das dann über ein Darmsegment dergestalt im Bauchnabel verbunden wird, dass die Patientin keinen Urin verliert, sondern alle drei bis fünf Stunden schmerzfrei über einen kleinen Katheter aktiv den Urin ablässt.“

Umsetzung massiv gefährdet

Das Problem: Vor allem diese Methode ist ein komplexes operatives Verfahren. „Gerade die deutsche Urologie hat auf diesem Gebiet unglaublich viele Techniken entwickelt“, so Prof. Roth. „Allerdings muss ich mit Bestürzung feststellen, dass dieses operative Wissen und die operativen Fähigkeiten mehr und mehr in Vergessenheit zu geraten drohen.“ Er sieht die operative Urologie deshalb an einem Scheideweg und mahnt seine Kollegen auf dem DGU-Kongress: „Wir dürfen die große urologische Expertise in der Rekonstruktion von Harnblasen unseren Patienten, darunter sind auch viele junge Frauen mit fortgeschrittenen gynäkologischen Tumoren mit Blasenbeteiligung, auch in der Zukunft nicht vorenthalten. Sie bedeutet für viele Betroffene entscheidende Lebensqualität.“

Risikofaktoren reduzieren

Harnblasenkrebs trifft häufiger Männer als Frauen. Hauptrisikofaktoren für die Entstehung sind Rauchen und Passivrauchen sowie der Kontakt zu chemischen Substanzen, wie sie in der Farb- und Textilindustrie vorkommen. Besonders die aromatischen Amine gelten als krebserregend. Auch eine chronische Blasenentzündung, Harnsteine und das Tragen von Blasenkathetern erhöhen das Risiko. Nicht zuletzt spielt auch die familiäre Veranlagung eine Rolle. Wer Blasenkrebs in der nahen Verwandtschaft hat, sollte regelmäßig zur Kontrolle. (red)