Alters- und Palliativmedizin

Mehr Zeit und Geduld für Schmerzpatienten

Nicht alle Schmerzen, die kommen, gehen wieder. Vor allem älteren Menschen sind sie ein ständiger Begleiter. Eine gute Therapie erfordert hier mehr als anderswo eine empathische Diagnostik.

04.11.2020
Im Alter sind Schmerzen meist ständige Begleiter. Daher brauchen Ärzte Empathie und Geduld.    Foto: AdobeStock/Africa Studio Im Alter sind Schmerzen meist ständige Begleiter. Daher brauchen Ärzte Empathie und Geduld. Foto: AdobeStock/Africa Studio

„Zwei Aspekte sind entscheidend, um bei älteren Menschen eine gute Schmerztherapie zu ermöglichen: Eine hochdifferenzierte Schmerzdiagnostik und die Einsicht, dass der ältere Patient Experte für seine eigene Gesundheit ist.“ Das sagte Prof. Dr. Dr. h.c. Andreas Kruse, Direktor des Instituts für Gerontologie an der Universität Heidelberg, in seinem Vortrag zur Eröffnung des Deutschen Schmerz- und Palliativtages 2020. Schwerpunktthema des Kongresses war die schmerzmedizinische Versorgung älterer Menschen.

Der Patient als Experte

Schmerzmediziner sollten ihre Patienten fragen, zu welcher Tageszeit und in welchen Situationen sie ihre Schmerzen intensiver bzw. weniger intensiv wahrnehmen und was ihnen dabei hilft, die Schmerzen besser zu kontrollieren. Außerdem sollten Ärzte ihre älteren Patienten als Experten für die eigene Gesundheit ansprechen und Fragen danach stellen, wie sie etwa auf bestimmte Analgetika (Schmerzmittel) und deren Dosierung reagieren oder ob und wie begleitende Therapiemaßnahmen ihnen helfen, riet Kruse. Auch die körperliche Aktivität sowie psychische Rahmenbedingungen sollten Ärzte kennen, denn all diese Aspekte seien die Basis dafür, dass therapeutische Maßnahmen wirksam sein können, appellierte der Experte.

Je älter, desto individueller

Dabei sei das Verständnis von der Diversität des Alters und des Alterns wichtig. „Je älter Menschen werden, desto verschiedener werden sie“, so Kruse. Diese Erkenntnis müsse sich in der ärztlichen Diagnostik, Beratung und Therapie widerspiegeln. Denn sowohl körperliche als auch psychische und soziale Aspekte beeinflussen das Schmerzerleben. Auch wenn gerade bei vielen älteren Patienten keine völlige Schmerzfreiheit zu erreichen sei, sei es doch wichtig, Schmerzen so zu lindern, dass die Patienten eine gute Lebensqualität erreichen.
Eine wichtige Basis dafür, so Kruse, sei das Vertrauensverhältnis zum behandelnden Arzt. Dies erfordere Zeit für intensive Gespräche zwischen Arzt und Patient.

Therapie dementer Menschen

Bei Patienten im fortgeschrittenen Alter haben es Schmerzmediziner immer häufiger auch mit Demenzpatienten zu tun. Die Vorstellung, dass diese Schmerzen nicht so stark verspüren, ist heute widerlegt. „Alzheimer-Patienten sind meist zusätzlich von körperlichen Erkrankungen betroffen und erleben häufig auch Schmerzen. Aber sie können sie nicht immer ausdrücken“, so Kruse. Gerade bei diesen Patienten sei die hohe Kunst der Diagnostik gefragt, bei der sich Ärzte auf nonverbale Hinweise, wie Stöhnen, Agitiertheit oder aggressives Verhalten als Hinweise auf die Schmerzen fokussieren müssen. Der Versorgungsauftrag sowohl der Geriatrie als auch der Schmerzmedizin sei es, den Menschen unabhängig von seinem Alter durch eine gute Behandlung in seinen Ausdrucksmöglichkeiten zu unterstützen. (red)