Alternative Heilmethoden

Blockaden sanft auflösen

Osteopathen versuchen, mit sanften Griffen Blockaden zu lösen und die Selbstheilungskräfte des Körpers anzuregen. Doch es gibt auch Kritiker.

23.11.2016

Osteopathen behandeln mit den Händen. Sie versuchen damit, Funktionsstörungen im Körper zu erkennen und zu therapieren und wollen die Ursache des Übels lindern, nicht nur die Symptome. Der Grundgedanke der Osteopathie ist, dass Bewegungsapparat, Schädel und Rückenmark sowie die inneren Organe als Systeme miteinander zusammenhängen. Sie sind duch Faszien, feine Gewebenetze, miteinander verbunden. Sind diese Faszien blockiert, kommt es zu Problemen, vor allem zu Verspannungen und Schmerzen. Mit sanften Griffen versuchen Osteopathen, diese Blockaden zu lösen und so die Selbstheilungskräfte des Körpers zu aktivieren. „Wir suchen nach dem Ursprung der Belastung“, erklärt Georg Schöner, Vorsitzender des Bundesverbands Osteopathie (BVO), selbst Heilpraktiker und Osteopath. „Wir tasten und fühlen, betrachten den ganzen Körper.“ Technische Hilfsmittel sind kaum im Einsatz. Er werfe zwar einen Blick auf ein MRT-Bild, wenn der Patient eines vorlegen kann. „Für unsere Beurteilung reicht so ein Ausschnitt aber nicht aus, da wir den Körper ganzheitlich betrachten.“

Zusammenhänge erkennen

Schöner illustriert diesen Ansatz an einem klassischen Beispiel: Beschwerden an der Bandscheibe. „Die werden ohne eine Behandlung über den Dickdarm nie ganz verschwinden“, so seine Überzeugung. Denn Bandscheibe und Darm seien durch die Faszien miteinander verbunden. „Spannungen am Darm übertragen sich immer wieder auf die Bandscheiben.“ Er nennt weitere Phänomene aus der täglichen Arbeit: Demnach können Funktionsstörungen der Nieren Rückenschmerzen auslösen. Bei Frauen verbinden Faszien die Gebärmutter mit dem Kreuzbein. „Das sind Zusammenhänge, auf die wir bei der Behandlung achten“, betont Schöner. Mit ihrem ganzheitlichen Ansatz widmen sich Osteopathen vor allem Rückenleiden, aber auch Babys mit Schreikoliken und Senioren mit Hüftproblemen. Und sie versuchen, bei Sodbrennen, Migräne oder Menstruationsbeschwerden für Linderung zu sorgen. Auch einige Leistungssportler – wie NBA-Star Dirk Nowitzki – vertrauen auf die alternative Heilkunde, um ihren Körper in Schuss zu halten. Der Bundesvertretung der Osteopathen in Deutschland (VOD) zufolge findet die Osteopathie in all jenen medizinischen Sektoren Anwendung, wo funktionelle Störungen die Ursache für Beschwerden sind. Sie kann aber auch begleitend zu anderen medizinischen Behandlungen eingesetzt werden. Viele setzen Osteopathen mit manuellen Therapeuten oder Chiropraktikern gleich. Das stimme nicht, sagt Schöner: „Die gehen an die Behandlung der Symptome heran, indem sie etwas einrenken. Das benötigen wir meist nicht.“ Trotz ihrer ganzheitlichen Betrachtungsweise: Verantwortungsvolle Therapeuten sollten ihre Grenzen kennen, betont er. Schwere Verletzungen, Brüche, Wunden, aber auch seelische Erkrankungen seien kein Fall für „heilende Hände“. Sie müssen in jedem Fall von Ärzten beurteilt werden.

Kritik und Kosten

Kritiker bemängeln, dass der Osteopathie als Therapieform Qualitätskontrollen und eine wissenschaftliche Bases fehlten. Das betont etwa Johannes Flechtenmacher, Präsident des Berufsverbands für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU). „Osteopathie geht davon aus, dass alle Erkrankungen manuell behandelbar sind. Für ihre Wirksamkeit gibt es aber kaum wissenschaftliche Belege.“ Der Prüfbericht der Bundesärztekammer aus dem Jahr 2009 scheint das zu bestätigen. Die Experten notierten darin, dass „einigermaßen zuverlässige Aussagen zur Wirksamkeit/Effektivität osteopathischer Behandlungen nur bei wenigen Erkrankungsbildern vorliegen“, und zwar im Wesentlichen bei chronischen Schmerzsyndromen der Wirbelsäule. Trotzdem erfreut sich die Osteopathie zunehmender Beliebtheit. Laut VOD wählen jährlich mehr als fünf Millionen Menschen diese Behandlungsform. Die Kosten einer Sitzung liegen zwischen 60 und 100 Euro. Viele Krankenkassen erstatten sie aber anteilig als freiwillige Zusatzleistung. Meist sind Maximalbeträge pro Sitzung oder Jahr in den Satzungen festgelegt. „Für Versicherte heißt das: bei der eigenen Krankenkasse fragen, ob Osteopathie angeboten wird oder es geplant ist, welche Konditionen mit diesem Angebot verbunden sind und mit welchen Therapeuten die Kasse zusammenarbeitet“, erläutert Ann Marini vom Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV). (tn)