Allgemeine Medizin

Im Notfall entscheiden Sekunden

Erste Hilfe kann Leben retten. Doch wenn es darauf ankommt, wissen viele nicht, was zu tun ist und lassen es lieber ganz. Eines allerdings kann jeder: den Notruf unter Telefon 112 verständigen und medizinische Hilfe anfordern.

07.03.2022

In einer Notfallsituation nicht den Kopf zu verlieren, sondern Ruhe zu bewahren, stellen sich viele Menschen als schier unmöglich vor. Sie haben Angst davor einzugreifen, aus Sorge, etwas falsch zu machen. Doch helfen kann jeder. Denn eine Regel ist im Notfall entscheidend: Alles ist besser, als gar nichts zu tun. „Wichtig ist dabei, vor allem zunächst die Notrufnummer 112 zu wählen. Unter dieser Nummer wird sofort die nächstgelegene Rettungsleitstelle erreicht, die sogleich die entsprechenden Rettungskräfte losschicken kann. Bis diese eintreffen, kann über das Telefon Unterstützung bei der Ersten Hilfe gegeben werden“, erklärt Philipp Schöllgen, Leitender Arzt des Zentrums für Notfallmedizin des Klinikverbunds St. Antonius und St. Josef GmbH. Diese Nummer ist echten Notfällen zugeordnet. Dazu gehören schwere Verletzungen oder Verbrennungen, Symptome, die auf einen Schlaganfall oder Herzinfarkt hindeuten, Bewusstlosigkeit, starke Schmerzen, ein allergischer Schock oder akute Atemnot. In anderen Fällen, in denen eine Person umgehend ärztliche Hilfe benötigt, die Situation aber nicht lebensbedrohlich ist, lässt sich unter der Nummer 116117 der ärztliche Notdienst erreichen.
Bereits im Jahr 1973 wurde in Deutschland die 112 als einheitliche Nummer für den Notruf eingeführt. Was vielen Menschen nicht bekannt ist: Seit Dezember 2008 kann jeder über diese Nummer in allen Ländern der Europäischen Union aus dem Fest- oder Mobilfunknetz gebührenfrei die Polizei, die Feuerwehr oder den Rettungsdienst erreichen. Auch Kinder sollten bereits den Notruf kennen und wissen, wann sie ihn wählen müssen. Wichtig ist es, bei einem Anruf die zentralen Fragen der Rettungsleitstelle zu beantworten und darauf zu warten, dass diese die Zustimmung gibt, nun aufzulegen. Bis Hilfe kommt, kann aber jeder Ersthelfer einige Regeln befolgen. „Zwar haben die meisten Menschen im Zusammenhang mit ihrer Führerscheinprüfung einen Erste-Hilfe-Kurs absolvieren müssen. Doch viel bleibt meist nach einigen Jahren nicht mehr hängen. Eine Auffrischung des Kurses ist also für jeden ratsam“, rät Schöllgen. Besonders bei Verkehrsunfällen ist es einerseits wichtig, dass die helfende Person unbedingt auf ihre eigene Sicherheit achtet, indem sie etwa eine Warnweste trägt. Andererseits gilt es zunächst den Unfallort durch das Aufstellen eines Warndreiecks abzusichern und beispielsweise Betroffene aus der Gefahrenzone zu bringen. Bewusstlose Patienten mit vorhandener Atmung müssen in die stabile Seitenlage gebracht werden. Ist eine Person nicht bei Bewusstsein und lässt sich auch keine Atmung feststellen, sollte sofort mit Wiederbelebungsmaßnahmen begonnen werden. Ist eine Person ansprechbar, kann es wichtig sein, ihr psychischen Beistand zu leisten, also erklären, dass bald Hilfe eintreffen wird, oder den Betroffenen durch eine leichte Berührung am Arm spüren lassen, dass sie nicht allein ist.
Je nach Notfalllage sendet die Zentrale neben dem Rettungswagen einen Krankentransportwagen oder auch einen Notarzteinsatzwagen zur Notfallstelle. Ein Krankenwagen kommt zum Einsatz, wenn der Patient keinen Notfall darstellt, aber entweder nicht selbst fahren kann, liegend transportiert werden muss oder während der Fahrt fachliche Betreuung durch nichtärztliches medizinisches Fachpersonal benötigt. Ein Rettungswagen wird geschickt, wenn es sich um eine Notfallrettung handelt und die Vitalfunktionen der betroffenen Person dringend wiederhergestellt oder aufrechterhalten werden müssen. Dieser Wagen verfügt daher über eine weitaus umfassendere Ausstattung als ein Krankenwagen. Ein Notarzteinsatzfahrzeug, NEF, ist noch besser bestückt als ein Rettungswagen und bringt den Notarzt zum Einsatzort. Er führt im Akutfall unter anderem lebensrettende Maßnahmen durch. Schöllgen erklär: „Diese Einsatztaktik wird als Rendezvous-System bezeichnet, hier gelangen zwei Einheiten mit verschiedenen Standorten zum Einsatzort, um dort als Team zusammenzuarbeiten.“ Sobald die Rettungskräfte eingetroffen sind, beginnen sie schon während der Vorstellung und Einschätzung der Lage mit der Erstversorgung. Sind die Patienten so weit stabilisiert, können sie anschließend ins Krankenhaus transportiert werden. Je nachdem, welche weitere Versorgung nötig ist, begleitet der Notarzt die Patienten entweder auch beim Transport ins Krankenhaus, das Notarztfahrzeug fährt also ohne ihn zurück, oder der Patient wird dem Rettungswagen übergeben und das Team des NEF ist bereit für den nächsten Einsatz.
Im Krankenwagen wird der Patient nicht mehr aus den Augen gelassen. Ein Rettungssanitäter kann beispielsweise die Aufgabe übernehmen, eine vertrauensvolle Beziehung zur betroffenen Person aufzubauen, damit sie sich beruhigt und das Gefühl hat, nicht allein gelassen zu sein. Damit das Krankenhaus sich bereits auf das Eintreffen vorbereiten kann, informieren die Einsatzkräfte ihre Kollegen genauestens über den Patienten, denn im Ernstfall können Minuten bereits lebensrettend sein. (red)