Allgemeine Medizin

Die Seuche als Geißel Gottes

Pest, Schwarze Pocken, die Spanische Grippe: In früheren Jahrhunderten wurden die Menschen immer wieder von ansteckenden Krankheiten heimgesucht, gegen die sie machtlos waren. Oft wurde eine Strafe Gottes dahinter vermutet.

17.11.2022
Seuchen wie dem „Schwarzen Tod“ wurde im Mittelalter häufig mit frommen Übungen begegnet, aber auch mit Schuldzuweisungen. Nicht selten wurden auch bestimmte astronomische Phänome für Krankheitsausbrüche verantwortlich gemacht.  Foto: AdobeStock/Matrioshka Seuchen wie dem „Schwarzen Tod“ wurde im Mittelalter häufig mit frommen Übungen begegnet, aber auch mit Schuldzuweisungen. Nicht selten wurden auch bestimmte astronomische Phänome für Krankheitsausbrüche verantwortlich gemacht. Foto: AdobeStock/Matrioshka

Es ist ein apokalyptisches Szenario: Tote liegen auf den Straßen, werden von vermummten Gestalten auf Karren geworfen und eilig in notdürftig ausgehobenen Massengräbern verscharrt. Priester kommen kaum noch dazu, ihre Gebete über den Toten auszusprechen, so viele sind es.

Und es ist kein Ende abzusehen: Der Tod zieht wie mit einer gewaltigen Sense durchs Land und mäht alles nieder, was ihm in den Weg kommt - Alte und Junge, Arme und Reiche. Doch was ist der Grund dafür? Sind es Miasmen, übelriechende und krankmachende Winde, wie es die Gelehrten noch zu Beginn des 18. Jahrhunderts vermuten? Liegt es an verseuchtem Wasser, wurden etwa die Brunnen vergiftet? Oder kommen doch eher die Gestirne in Frage – eine ungünstige Konstellation etwa von Mars, Jupiter und Saturn? Oder ist der „Schwarze Tod“ nicht vielleicht die Geißel Gottes, die als Strafe für deren sündiges Leben auf die Menschen niedersaust?

Die Pest gilt als die schlimmste Seuche, die die Menschheit jemals heimgesucht hat. Im 14. Jahrhundert, als sie in mehreren Wellen durch Europa fegt, rafft sie ein Drittel der damaligen Bevölkerung dahin. Die Ursache der Krankheit ist unbekannt, ebenso die Art der Übertragung. So werden die Juden verdächtigt, die Brunnen vergiftet zu haben, so versucht man, sich vor der buchstäblich verpesteten Luft zu schützen, indem man sich Tücher, die mit wohlriechenden Ölen getränkt sind, vor das Gesicht hält. Ärzte hüllen sich in lederne Schutzkleidung und setzen Schnabelmasken auf, in deren Inneren duftende Kräuter vor Ansteckung schützen sollen. Tatsächlich kommt niemand auf die Idee, dass die tödliche Krankheit von Flöhen auf Ratten übertragen wird. Man versucht, den Zorn Gottes durch Bußübungen zu mildern – und doch wütet die Pest weiter, entvölkert ganze Landstriche. Erst 1894, zu Beginn einer weiteren Pandemie, kann der Schweizer Arzt Alexandre Yersin den Pest-Erreger identifizieren und bestätigt die Vermutung, dass sie durch Bakterien verursacht wird. Aber es dauert bis 1942, als mit dem Wirkstoff Penicillin das erste Antibiotikum gegen Bakterien auf den Markt kommt. Ihm gelingt es, der Pest ihren Schrecken zu nehmen. Auch wenn sie immer wieder in ärmeren Regionen aufflackert, ist sie heute, sofern sie umgehend behandelt wird, gut heilbar.

Aber auch andere Infektionskrankheiten haben die Menschen immer wieder heimgesucht: Die Schwarzen Pocken etwa, die Überlebende entstellt zurücklassen, oder die Spanische Grippe, die vor rund 100 Jahren wütet und weltweit 50 Millionen Todesopfer fordert, sind nur zwei davon.

Beispielsweise die Cholera zieht im späten 19. Jahrhundert über Deutschland. Allein in Hamburg werden 1892 rund 9.000 Tote gezählt. Der Bakteriologe Robert Koch wird in die Hansestadt beordert und identifiziert die schlechten Hygieneverhältnisse als Ursache der Infektionskrankheit. Umgehend lässt er Häuser von Erkrankten desinfizieren und Informations-Flugblätter an die Bevölkerung verteilen. Er sorgt dafür, dass alle Zugang zu abgekochtem Wasser bekommen, lässt Schulen schließen und den Handel massiv einschränken. Während das nach einem Lockdown klingt, hat die Quarantäne ihre Vorläufer bereits im mittelalterlichen Italien: Aus dem Jahr 1374 ist überliefert, dass zum Schutz vor der Pest niemand die Stadt Reggio nell‘Emilia betreten oder verlassen darf.

Eine ganze Stadt wird also in Quarantäne gehalten – nicht anders, als es zur Eindämmung der Corona-Pandemie 2020 mancherorts geschieht.
Eine andere gefürchtete Infektionskrankheit ist die Lepra, die ursprünglich als Aussatz bezeichnet wird. Schon in diesem Namen klingt das Schicksal der Erkrankten an: Sie werden von den Gesunden getrennt, quasi von der Gesellschaft ausgesetzt, damit sie keinen anstecken können, und in speziellen „Siechenhäusern“ außerhalb der Städte untergebracht – eine Art lebenslange Quarantäne erwartet also die Aussätzigen, sobald die Diagnose einmal gestellt ist. Die Krankheit ist gefürchtet, und so müssen die Aussätzigen, sollten sie doch einmal das Siechenhaus verlassen, mit lauten Klappern auf sich aufmerksam machen, damit die Gesunden schnell das Weite suchen können – um sich nicht anzustecken mit der Krankheit, die langsam den Körper zerfrisst und grausam entstellte, lebende Leichname produziert.

Noch 1904 wird auf der griechischen Insel Spinalonga eine Leprakolonie errichtet, wo die Kranken zusammenleben. Erst, nachdem wirkungsvolle Medikamente entwickelt werden können, wird die Leprastation 1957 als eine der letzten in Europa aufgelöst. (eva)