Allgemeine Medizin

Antikörper gegen aggressive Leukämie

Tumorzellen zu bekämpfen – das gelang bei der ALL, einer Variante der sehr aggressiven akuten Leukämie nicht immer. Nun haben Forscher einen Antikörper entdeckt, der hoffen lässt.

25.11.2019
Untersuchten den Antikörper Daratumumab auf eine mögliche Eignung zur Bekämpfung der T-Zell-ALL: PD Dr. Denis Schewe, Dr. Fotini Vogiatzi und Dr. Lennart Lenk (v.l.n.r.).   Foto: Christian Urban, Uni Kiel Untersuchten den Antikörper Daratumumab auf eine mögliche Eignung zur Bekämpfung der T-Zell-ALL: PD Dr. Denis Schewe, Dr. Fotini Vogiatzi und Dr. Lennart Lenk (v.l.n.r.). Foto: Christian Urban, Uni Kiel Untersuchten den Antikörper Daratumumab auf eine mögliche Eignung zur Bekämpfung der T-Zell-ALL: PD Dr. Denis Schewe, Dr. Fotini Vogiatzi und Dr. Lennart Lenk (v.l.n.r.). Foto: Christian Urban, Uni Kiel Untersuchten den Antikörper Daratumumab auf eine mögliche Eignung zur Bekämpfung der T-Zell-ALL: PD Dr. Denis Schewe, Dr. Fotini Vogiatzi und Dr. Lennart Lenk (v.l.n.r.). Foto: Christian Urban, Uni Kiel

Leukämie – Blutkrebs – ist eine Erkrankung, die besonders häufig für Schlagzeilen sorgt. Obwohl sie nach Angaben der Deutschen Krebsgesellschaft mit rund 13.700 Neuerkrankungen pro Jahr weit seltener auftritt als etwa Brust- oder Dickdarmkrebs, gehören zu den Betroffenen eben auch vier Prozent Kinder und Jugendliche unter 15 Jahren.
Im Durchschnitt bricht die chronische Leukämie in späteren Jahren aus, etwa zwischen dem 60 und 70 Lebensjahr. Bei Männern etwas häufiger als bei Frauen. Zu den prominenten Beispielen zählen der Opernsänger José Carreras und der erst kürzlich daran verstorbene Schlagerstar Karel Gott.
Die akute und weitaus schwerer verlaufende Form dagegen trifft vor allem die Kinder. Sie und deren Eltern hoffen wie alle anderen Betroffenen weiter auf neue Therapien für größere Heilungschancen.

Unreife Blutkörperchen

Das Problem bei der Krankheit des blutbildenden Systems: Weiße Blutkörperchen (Leukozyten) – die „Schutzpolizei“ des Körpers – wachsen nicht mehr in normaler Geschwindigkeit heran. Unreif können sie ihre Aufgabe – Krankheitserreger abzuwehren – nicht mehr erfüllen. Zugleich vermehren sie sich schnell und unkontrolliert weiter und verdrängen so die roten Blutkörperchen, die jedoch den Sauerstofftransport im Körper garantieren. Auch die Anzahl der Blutblättchen nimmt dadurch ab. Sie sind für die Blutgerinnung verantwortlich.
Die Quelle dieses „Baufehlers“ liegt im Knochenmark, wo die Mutterzellen der blutbildenden Stammzelle entstehen. Durch eine Fehlschaltung sogenannter Kontrollgene können Zellen bei der Teilung und Ausdifferenzierung in jeder ihrer Entwicklungsetappen entarten – ein Schicksal, das tatsächlich jeden Menschen treffen kann, denn nur in seltenen Fällen werden solche Mutationen vererbt.
Die Folgen sind Blutarmut sowie eine erhöhte Infektions- und Blutungsneigung. Häufiges Nasenbluten, Blässe und grundlose Müdigkeit, aber auch Fieber, geschwollene Lymphknoten und Kopfschmerzen können Symptome einer Leukämie sein.

Schnell oder schleichend

Es gibt zwei Grundformen der Erkrankung: die myeloische und die lymphatische Leukämie. Beide können jeweils akut oder chronisch verlaufen. Eine akute Leukämie ist mit schweren Krankheitssymptomen und Fieber ein lebensgefährlicher Zustand, der umgehend behandelt werden muss. Die chronische Form verläuft oft schleichend und weniger dramatisch, weshalb sie zunächst lange unbemerkt bleibt.
Bislang gibt es nur die Möglichkeit einer Chemotherapie oder die Behandlung mit Stammzellen. Doch gerade bei der meist sehr schnell und aggressiv fortschreitenden akuten lymphatischen Leukämie (ALL) schlägt diese bei 15 bis 20 Prozent der jungen Patienten nicht an. Und auch für eine Stammzelltherapie muss erst der passende Spender gefunden werden.
An der Kieler Christian-Albrechts-Universität zu Kiel haben Wissenschaftler nun vorklinische Tests mit dem aussichtsreichen Antikörper Daratumumab gemacht. Er soll vor allem bei der T-Zell-ALL, eine Unterform der ALL, greifen, für die es bislang noch keine Immuntherapie gibt. Im Modell konnten sie damit immerhin in der Hälfte der Fälle die Krebszellen vollständig beseitigen.

Hoffnung Immuntherapie

Bei der Immuntherapie mit Antikörpern kommen künstlich hergestellte Antikörper zum Einsatz. Das sind bestimmte synthetische Proteine, die nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip wirken. Sie helfen den Immunzellen unter bestimmten Umständen, Krebszellen zu erkennen und zu zerstören. „Wir konnten erste vielsprechende Ergebnisse verzeichnen: Die Hälfte der mit dem Antikörper behandelten Tiere überlebte langfristig ohne Krankheitsanzeichen“, erklärt der Kieler Kinderonkologe Schewe. Dabei machte es keinen Unterschied, ob sie nur mit dem Antikörper oder mit einer Kombination aus Chemo- und Immuntherapie behandelt wurden. „Die Chemotherapie mit ihren gravierenden Nebenwirkungen erzielte keine Verbesserung und brachte im Fall unseres Modellversuchs keinen zusätzlichen Nutzen“, sagt Schewe.
Diese experimentellen Ergebnisse seien aber noch keinesfalls direkt auf Patientinnen und Patienten übertragbar. „Bei der weiteren Entwicklung der Antikörpertherapie gegen die T-ALL gilt es daher, auch weiterhin in alle Richtungen zu forschen“, betont Schewe. (red)