Sport, Knochen und Gelenke

Hüft- und Knieprothesen fürs ganze Leben?

Künstliche Gelenke halten in der Regel nicht ewig. Viele Betroffene warten deshalb länger, als ihnen guttut mit der ersten OP. Dabei können neue Materialien und 3-D-Prothesen die Haltbarkeit verlängern.

23.04.2021

„Dafür sind sie noch zu jung“ – diesen Satz hörte Gabriele B. immer wieder, wenn sie wegen ihrer fortgeschrittenen Hüftarthrose nach einer Endoprothesen-OP fragte. Denn irgendwann – das steht fest – muss das künstliche Gelenk durch ein neues ersetzt werden. Und dieses OP-Risiko in einem höheren Lebensalter noch einmal zu tragen, möchten die wenigsten. Also sollte man möglichst lange mit der OP warten, bis man wenigstens 65 Jahre alt ist, riet man der 56-Jährigen. Ihre Schmerzen waren kaum noch auszuhalten. „Ohne starke Medikamente konnte ich beruflich keine längeren Termine mehr absolvieren. Sogar nachts kämpfte ich mitunter mit massiven Schmerzen“, berichtet die Immobilienmaklerin.

Nicht weniger als eine Frage der Lebensqualität

Dabei werden in Deutschland circa 430.000 Endoprothesen pro Jahr eingebaut, durchaus in allen Altersklassen. Denn unbestritten ist unter Experten, dass die endoprothetische Versorgung sowohl des Hüft- als auch des Kniegelenks für den Patienten von unschätzbarem Wert ist. „Es kommt bei komplikationsfreiem Verlauf zu Schmerzfreiheit und Wiedererlangung der Gelenkbeweglichkeit, dadurch bedingt zu einer wiederauflebenden Mobilität und Lebensfreude“, berichtet Professor Dr. med. Karl-Dieter Heller , Präsident der AE – Deutsche Gesellschaft für Endoprothetik e. V., Ärztlicher Direktor des Herzogin Elisabeth Hospitals Braunschweig und Chefarzt der Orthopädischen Klinik, auf einer Online-Pressekonferenz zum Kongress der AE im November 2020.
War früher primär die Schmerzlinderung das Ziel, so ist es heute für die Patienten von großer Bedeutung auch aktiv zu bleiben oder es zu werden und sich sportlich zu betätigen. Auch hierzu kann die Endoprothetik beitragen.

Verschiedene Versorgung, ein Preis

Doch ein wesentlicher Aspekt bei der Versorgung mit einem künstlichen Gelenk ist die langfristige Haltbarkeit. Studien aus dem Jahre 2019 belegen, dass 82 Prozent aller Knieendoprothesen (Vollersatz) nach 25 Jahren und 58 Prozent aller Hüftendoprothesen nach 20 Jahren noch in Ordnung sind. Um Wechsel-OPs in einem dann meist höheren Lebensalter zu vermeiden, wäre eine länger haltbare Endoprothese wichtig. Dabei spielen das Material und die Qualität der Operation eine wesentliche Rolle. Gerade diese Qualität gelte es noch zu optimieren, so Heller und verweist auf drei Ansätze, die diesem Ziel dienen sollen: 1. die Robotik des Kniegelenkes, 2. die Wahl hochwertiger Materialien und 3. die Zertifizierung nach EndoCert.
Das Problem: Egal welche Versorgungsqualität und welche Materialien man in Deutschland verwendet, für die Hüft- als auch für die normale Knieendoprothese gibt es von den Krankenkassen aufgrund der Fallpauschalen den gleichen Preis erstattet. Viele Endoprothesen implantierende Krankenhäuser können daher nur kostendeckend arbeiten sowie Material und Mitarbeiter bezahlen, wenn sie am Material sparen.

Keramik, Roboter und Zertifizierung

Dabei hätte die wertigere, aber auch teurere Keramik-Keramik-Gleitpaarung viele Vorteile: Mit ihr ist der Abrieb geringer. Langfristig gibt es dadurch auch weniger Lockerungen und weniger Verrenkungen der Hüfte, da die Abriebpartikel in der Menge gering und biologisch inaktiv sind.
Auch Robotersysteme könnten speziell in der Knieendoprothetik helfen, die Präzision des Einbaus zu verbessern. Doch auch hier müssten Kliniken zum Wohle des Patienten in Vorleistungen gehen, ohne dafür entlohnt zu werden.
Und nicht zuletzt wäre eine Zertifizierung zum Endoprothetikzentrum nach EndoCert wichtig. Sie steht für eine hervorragende Struktur und Prozessqualität sowie eine hohe Zahl an Operationen, die pro Operateur durchgeführt werden müssen. Und je mehr Erfahrung man hat, desto besser wird meist auch das OP-Ergebnis. Doch leider hakt es auch hier, da die Zertifizierung nach EndoCert eine finanzielle Investition ist, die sich für die Kliniken zumindest zunächst nicht lohnt.
Heller fordert deshalb einen Zentrums- und Qualitätszuschlag für höherwertige Gleitpaar-Prothesen für Patienten ab 70 Jahren. (red)