Sport, Knochen und Gelenke

Gelenk-OPs nicht länger aufschieben!

Schmerzen bei jedem Schritt und Tritt schlagen auf die Lebensqualität. Viele notwendige Eingriffe wurden seit Corona verschoben. Doch Ärzte warnen vor zu viel Opioid-Schmerzmitteln.

20.12.2020

Nach Angaben des AOK-Bundesverbandes gibt es seit April dieses Jahres, also dem Beginn des ersten Lockdowns, im Vergleich zum Vorjahr einen Rückgang von 79 Prozent an Hüftersatz-Operationen, die wegen einer Arthrose im fortgeschrittenen Stadium notwendig wären. Auch wenn Ärzte momentan viele dieser Implantationen nachholen, sind Patienten teils verunsichert, ob jetzt ein geeigneter Zeitpunkt für diese Operationen ist. Das meldet die AE – Deutsche Gesellschaft für Endoprothetik e. V.
Bei schwerer Gelenkarthrose ist ein Kunstgelenk die letzte Behandlungsoption, wenn alle anderen nicht-operativen Möglichkeiten wie Physiotherapie ausgeschöpft sind. „Nahezu alle Patienten sind nach dem Eingriff beschwerdefrei und können wieder am normalen Leben teilhaben“, sagt Professor Dr. med. Karl-Dieter Heller, AE-Präsident und Chefarzt der Orthopädischen Klinik am Herzogin Elisabeth Hospital in Braunschweig. „In den vergangenen Monaten haben jedoch viele unserer Patienten den Eingriff aus Angst vor einer Infektion mit dem Corona-Virus abgesagt, beziehungsweise die Krankenhäuser mussten ihre Kapazitäten für akute Corona-Erkrankungen freihalten.“

Entzündungshemmer nehmen

Trotz einer Normalisierung warteten einige Patienten lieber weiter ab, müssen derweil aber mit ihren Schmerzen und Bewegungseinschränkungen leben. Das führt zwangsläufig zu einer unkontrollierten und längerfristigen Schmerzmitteleinnahme, die häufig Opioide enthielten, so die AE. Diese Wirkstoffgruppe kann aber nichts gegen die Entzündung ausrichten und bei langfristiger Einnahme in die Abhängigkeit führen. Zudem können sie die Gefahr für Schwindel und Stürze erhöhen. Die Fachgesellschaft empfiehlt zur Schmerzbekämpfung deshalb Entzündungshemmer. Prof. Heller: „Was viele nicht wissen: Es ist nicht der beschädigte Gelenkknorpel, der weh tut. Denn der hat keine Nerven. Vielmehr ist bei einer Arthrose die Gelenkschleimhaut (Synovialis) entzündet. Zusammen mit dem oftmals begleitenden Gelenkerguss ist das die Hauptursache der Schmerzen.“ Entsprechend müsse diese Entzündung gezielt bekämpft werden. „Das funktioniert am besten mit sogenannten nicht-steroidalen Entzündungshemmern (NSAR) wie Diclofenac, Ibuprofen und Naproxen“, so der Experte weiter. Grundsätzlich sollten alle Medikamente nur unter ärztlicher Aufsicht eingesetzt werden.

Muskulatur kräftigen

Zusätzlich sollten Patienten tägliche Übungen zur Dehnung und Kräftigung der Gelenkmuskulatur machen. „So paradox es klingen mag: Gegen Schmerzen hilft auch Bewegung“,
sagt Universitäts-Professor Dr. med. Carsten Perka, Generalsekretär der AE und Ärztlicher Direktor des Centrums für Muskuloskelettale Chirurgie, Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie an der Charité Berlin. Es gelte, die Muskulatur rund um Hüfte und Knie durch tägliche, sanfte Übungseinheiten möglichst kräftig und beweglich zu halten (siehe auch Kasten). Die Bewegung sorgt für die Versorgung des Knorpels mit Nährstoffen, die gekräftigte Muskulatur stabilisiert das Gelenk und die tägliche Dehnung des Gelenkes verhindert das Einsteifen. „Auch wenn Bewegung bei Arthrose sehr schmerzhaft sein kann, lohnt es sich dennoch, etwa eine Stunde am Tag mobil zu sein – es dürfen auch mehrere kleine Einheiten sein“, so Perka. Auch ein kluges Gewichtsmanagement sei wichtig, da starkes Übergewicht die Arthrose und damit die Schmerzen verstärkt.

Keine Angst vor Ansteckung!

Doch sobald Patienten trotz aller Maßnahmen nachts vor Schmerzen nicht mehr schlafen können, beziehungsweise geringste Aktivitäten schon zu starken Schmerzen führen, sei die Operation die einzige Möglichkeit zur Schmerzreduktion, so der Experte. „Das Risiko, sich im Krankenhaus mit dem Coronavirus anzustecken, ist derzeit sehr gering“, beruhigt der Orthopäde und Unfallchirurg. „In den Kliniken greifen strenge Hygienekonzepte wie Corona-Testungen bei der Aufnahme, Isolierung von Risikopatienten und umfassende Quarantäneregeln. Dazu kommen regelmäßige Testungen von Personal und Patienten.
„Gemeinsam mit ihrem Arzt können Patienten Wege besprechen, die Aufenthaltsdauer zu minimieren“, rät Perka.
Beispiele sind die Aufnahme erst am OP-Tag, eine minimal-invasive Operationstechnik und die sofortige Mobilisation nach dem Eingriff. (red)