Herz und Kreislauf

Hormonelle Ursache für Bluthochdruck

Eine Überproduktion des Hormons Aldosteron in einer oder beiden Nebennieren lässt den Blutdruck stark ansteigen. Diese häufige Erkrankung, das Conn-Syndrom, wird in Deutschland oft erst spät oder gar nicht diagnostiziert, mahnt die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE).

07.03.2022

1.5 bis 2 Millionen Deutsche sind laut der DGE unerkannt am Conn-Syndrom erkrankt. Dabei gibt es effektive Therapien gegen die Hormonstörung – etwa ein Drittel der Patienten muss nach der Behandlung sogar keine Hochdruckmedikamente mehr einnehmen. Lässt sich Blutdruck auch mit verschiedenen Medikamenten auf Dauer nicht unter 140/90 mmHg einstellen, sollte man das Conn-Syndrom immer abklären, rät deshalb die DGE.
Das Hormon Aldosteron verhindert, dass Natrium über die Niere beim Wasserlassen verloren geht. Damit verbunden hält Aldosteron auch Wasser zurück, wodurch der Blutdruck steigt. „Normalerweise ist die Produktion von Aldosteron in ein hormonelles Netzwerk eingebunden, das Blutdruck und Flüssigkeitshaushalt reguliert“, sagt Prof. Dr. med. Martin Reincke, der sich an der Ludwig-Maximilians-Universität München auf die Erforschung der Nebennieren spezialisiert hat. In den kleinen Drüsen, die die Nieren wie winzige Mützen bedecken, werden gleich mehrere Hormone gebildet. Eines davon ist Aldosteron.
Beim Conn-Syndrom hat sich Aldosteron der Kontrolle durch andere Hormone entzogen. Es kommt zur Überproduktion und der Blutdruck steigt. Gleichzeitig verliert der Körper Kalium und das Blut wird alkalisch. Eine sogenannte Alkalose ist eine Störung des Säure-Basen-Haushaltes, bei der der pH-Wert des Blutes auf über 7,45 ansteigt. Sie gehört zusammen mit einem Kaliummangel und einem Bluthochdruck zu den drei klassischen Zeichen eines Conn-Syndroms. In den meisten Fällen sei jedoch nur der Blutdruck erhöht, berichtet Reincke: „Das Conn-Syndrom wird deshalb lange übersehen. Im Durchschnitt liegen zwischen der Erstdiagnose des Bluthochdrucks und des Conn-Syndroms zehn Jahre.“

Häufige Infarktursache
Dies sei bedauerlich, da der Hochdruck beim Conn-Syndrom fünf- bis zehnmal häufiger zu Herzinfarkt, Schlaganfall oder Herzversagen führt als bei anderen Hochdruckerkrankungen. Ein Grund ist die schlechte Wirkung der üblicherweise eingesetzten Medikamente. Ein Blutdruck, der trotz drei verschiedener Medikamente auf Dauer über 140/90 mmHg liegt, ist deshalb ein Warnhinweis, ebenso wie ein Kaliummangel im Blut, eine Vergrößerung der Nebenniere im Ultraschall, bekannte Erkrankungen in der Familie oder ein Schlaganfall vor dem 40. Lebensjahr.
Der erste Schritt zu Diagnose sind Labortests. Neben einer Hormon-Bestimmung gehört dazu ein Kochsalzbelastungstest, bei dem normalerweise der Aldosteron-Wert sinkt. Ist dies nicht der Fall, sollten die Patienten zur abschließenden Diagnose an eine Fachklinik überwiesen werden. Dort wird mit einem Katheter die Aldosteron-Konzentration in den Venen der beiden Nebennieren bestimmt. Das Ergebnis hat unmittelbare Auswirkungen auf die Behandlung. Ist die Konzentration nur auf einer Seite erhöht, kann das Conn-Syndrom durch die Entfernung einer Nebenniere geheilt werden. Dies ist laut Reincke bei etwa einem Drittel der Patienten der Fall. Viele benötigen nach der Operation dann keine Blutdrucksenker mehr.

Effektive Behandlungen
Wenn beide Nebennieren zu viel Aldosteron produzieren, ist eine Operation nicht möglich. Dann helfen Aldosteron-Antagonisten, die das Hormon durch die Blockade der Rezeptoren auf den Zellen ausschalten. Die Mittel sind seit längerem zugelassen, bei anderen Hochdruckerkrankungen werden sie jedoch selten eingesetzt.
Die Behandlungsergebnisse des Conn-Syndroms haben sich in den letzten Jahren nicht zuletzt dank eines auch im Ausland vielbeachteten Patienten-Registers verbessert, das seit 2006 alle Erkrankungen aus führenden Behandlungszentren in Deutschland sammelt (1). Bisher wurden Daten zu 1.600 Patienten in das von Reincke gegründet und geleitete Conn-Register eingetragen: „Das Register hilft uns, die Diagnostik, Behandlung und Betreuung dieser Patienten zu verbessern sowie Standards für eine Qualitätskontrolle festzulegen.“ (red)