Haut, Haare und Ästhetik

Hautjucken durch Dialyse – was hilft?

Die Möglichkeit der Blutwäsche ist für Menschen mit massivem Nierenschaden ein Glück. Doch sie leiden auch unter großem Juckreiz. Eine adäquate Therapie bekommen aber nur die wenigsten.

11.02.2019
Foto: Lilium Klinik

Dr. med. Reinhard Titel
Facharzt für Chirurgie und Unfallchirurgie sowie Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie
LILIUM Klinik Wiesbaden



Nicht wenige Patienten, die aufgrund von Nierenversagen regelmäßig Hämodialyse erhalten, leiden mindestens einmal unter chronischem Hautjucken (Pruritus). Die länger als sechs Wochen anhaltenden Beschwerden beeinträchtigen die Lebensqualität deutlich. Das hat eine deutschlandweite Studie der Abteilung für Klinische Sozialmedizin am Universitätsklinikum Heidelberg mit 860 Patienten an 25 Dialyse-Zentren ergeben. Die Studie (German Epidemiological Haemodialysis Itch Study / GEHIS) ist die weltweit erste repräsentative Erhebung zu chronischem Juckreiz bei Dialyse-Patienten, bei der zudem wissenschaftlich geprüfte Fragebögen speziell zur Lebensqualität bei Hautjucken zum Einsatz kamen. Die Studie zeigte darüber hinaus, dass nur ein Drittel der Betroffenen eine Therapie zur Linderung der Beschwerden erhielt.

Unbekannte Ursachen

„Chronisches Juckempfinden ist ein großes Problem bei Nierenpatienten und eine zusätzliche Last zu den ohnehin gegebenen gesundheitlichen Einschränkungen und Beschwerden. Das sollte zukünftig in der Behandlung mehr Beachtung finden“, fordert Studienleiterin Professor Dr. Elke Weisshaar. „Außerdem ist weitere Forschung dringend notwendig, um die bisher noch unbekannten Ursachen des Juckreizes zu klären und passende Therapien zu entwickeln.“ Auch sie bestätigt, dass Dialyse-Patienten häufig von quälendem und lang anhaltendem Hautjucken geplagt werden. Dies sei aus der täglichen Praxis gut bekannt.
Genaue Zahlen gab es dazu bisher allerdings nicht, der Anteil der betroffenen Patienten weltweit wurde sehr unterschiedlich eingeschätzt, teils auf bis zu 80 Prozent. Ursache der schwankenden Zahlen sind unterschiedliche Studientypen, uneinheitliche Umfrageinhalte und eine fehlende Definitionen, ab welcher Beschwerdedauer Jucken als chronisch bezeichnet wird. Darüber hinaus spielt es eine Rolle, in welchem Land die Untersuchung stattfand: Je besser die Qualität der Dialyse, desto weniger häufig kommt es zu chronischem Jucken.

Nur ein Drittel wurde behandelt

Die 2012 gestartete GEHIS-Studie lieferte nun erstmals konkrete und repräsentativ erhobene Zahlen. Unter chronischem Juckreiz, der mindestens sechs Wochen andauerte, litten demnach zum Zeitpunkt der Befragung ein Viertel der Patienten. 27 Prozent waren in den vergangenen 12 Monaten betroffen und 35 Prozent mindestens einmal in der Vergangenheit. Besonders häufig trat das chronische Jucken zusammen mit trockener Haut oder Ekzemen auf oder bei Studienteilnehmern, die jünger als 70 Jahre alt waren.
Genau 177 der Patienten mit aktuell bestehendem Jucken unterzogen sich einer dermatologischen Untersuchung. Bei 38 Prozent war die Haut vom häufigen und intensiven Kratzen verletzt, bei rund 19 Prozent identifizierten die Hautärzte eine Hauterkrankung wie z. B. ein Ekzem als Ursache. 40 Prozent der Geplagten hatten sich medizinische Hilfe gesucht, aber nur 32 Prozent – meist Patienten mit schwerem Juckreiz – hatten eine Behandlung erhalten. „Leider gibt es bisher nur lindernde, keine wirklich ursächlichen Therapien – möglicherweise haben deshalb nicht einmal die Hälfte der Betroffenen einen Hautfacharzt aufgesucht“, vermutet Weisshaar. „Ein weiterer Grund ist sicherlich, dass Dialysepatienten schon eine hohe Anzahl von Arztbesuchen zu bewältigen haben.
Aber die Zahlen zeigen: Bei rund einem Fünftel der Patienten liegt eine behandelbare Hauterkrankung zugrunde.“ Auch bei Patienten ohne eine solche können beispielsweise eine UV-Lichttherapie, spezielle Cremes und die Pflege der trockenen Haut die Beschwerden lindern.
Dialyse-Patienten sollten immer einen Hautarzt aufsuchen, vor allem wenn sich Ausschläge usw. zeigten und das Jucken nicht durch Hautpflege in den Griff zu bekommen sei, so die Hautärztin und Sozialmedizinerin. So wird es unwahrscheinlicher, eine mögliche Hauterkrankung zu übersehen.

Schlafstörung und Schmerzen

Darüber hinaus belastet das ständige Jucken auch die Psyche und die seelische Gesundheit. Heidelberger Sozialmediziner fanden heraus, dass chronischer Juckreiz die ohnehin schon massiv eingeschränkte Lebensqualität der Betroffenen zusätzlich minderte. Patienten mit Hautjucken schätzten ihren allgemeinen Gesundheitszustand ebenso wie ihr emotionales Wohlbefinden schlechter ein als nicht betroffene Dialyse-Patienten. „Studienteilnehmer mit chronischem Jucken berichteten zudem überdurchschnittlich häufig von Schmerzen und Schlafstörungen. Wie das häufig gleichzeitige Auftreten von Jucken und Schmerzen zusammenhängt, muss allerdings noch geprüft werden“, so Weisshaar. (red)