Frauen- und Männergesundheit

Prostatakrebs: Neue Methode kann Nebenwirkungen reduzieren

Viele Männer fürchten sich zu Recht vor einer Totaloperation der Prostata. Denn die Nebenwirkungen sind meist sehr unschön. Nun gibt es eine Methode, bei der das Organ erhalten bleiben kann.

22.05.2020
Prof. Dr. Frank Wacker und PD Dr. Inga Peters mit ihren Team-Kollegen Dr. Bennet Hensen und Ansgar Tiemeyer (v. l.) an einem MRT-Gerät.  Foto: MHH/Karin Kaiser Prof. Dr. Frank Wacker und PD Dr. Inga Peters mit ihren Team-Kollegen Dr. Bennet Hensen und Ansgar Tiemeyer (v. l.) an einem MRT-Gerät. Foto: MHH/Karin Kaiser
Foto: Alexander Sell

Dr. Clara Park
Radiologin
RNS Gemeinschaftspraxis
Wiesbaden



Prostatakrebs ist mit rund 60.000 Neuerkrankungen pro Jahr die häufigste Krebsart bei Männern in Deutschland. Muss der Tumor entfernt werden, ist die Totaloperation immer noch ein übliches Therapieverfahren. Doch die komplette Entfernung der Prostata kann schwerwiegende Folgen wie Inkontinenz und Erektionsstörungen haben.

Erhaltender Eingriff

An der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) behandelt man lokal begrenzten Prostatakrebs mit einer neuen Methode, bei der die männliche Vorsteherdrüse erhalten bleiben kann. „Grundsätzlich gilt, dass es sich um ein lokal begrenztes Karzinom mit niedrigem bis mittlerem Aggressionsgrad handeln sollte“, sagt Privatdozentin (PD) Dr. Inga Peters, Oberärztin in der Klinik für Urologie und Urologische Onkologie.

Hitze und Ultraschall

Mithilfe von Hitze, erzeugt durch Ultraschall, wird dabei ganz gezielt nur der Tumor zerstört, das umliegende Gewebe wird geschont, und die Prostata kann erhalten werden. Das Verfahren heißt TULSA-Pro. Der Begriff steht für Transurethale ULtraSchallAblation der Prostata. Transurethal bedeutet „durch die Harnröhre“, Ablation „Zerstörung von Gewebe“.
Für die Behandlung wird ein stabförmiger Ultraschallapplikator in die Harnröhre gelegt. Da die Harnröhre mitten durch die Prostata verläuft, kann der Tumor so von innen behandelt werden. Über den Applikator wird Hitze in Form von gesteuerten Ultraschallwellen abgegeben, die den Krebsherd gezielt abtöten.

Zellen zielgenau vernichten

„Der Eingriff erfolgt im MRT unter Echtzeit-Thermometrie. Dadurch ist eine exakte Temperaturkontrolle im Gewebe möglich, die Krebszellen können zielgerichtet vernichtet und das gesunde Gewebe sowie die benachbarten Strukturen wie Nerven und Gefäße geschont werden“, erläutert Dr. Bennet Hensen, der sich im Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie um MRT-gestützte Eingriffe kümmert. Als zusätzlicher Schutz wird während der aktiven Hitzebehandlung sowohl die Harnröhrenwand als auch die Enddarmwand gekühlt.

Weniger Nebenwirkungen

Erste vielversprechende Daten zur Therapie mit TULSA-Pro zeigen, dass die Rate an Erektionsstörungen deutlich geringer ist als bei einer Totaloperation. Nach einer radikalen Entfernung der Prostata haben 70 bis 80 Prozent der Patienten mit Erektionsstörungen zu kämpfen, nach einer Behandlung mit der neuen Methode nur etwa 20 Prozent. Bei der Inkontinenz sind die Ergebnisse sogar noch besser: Lediglich 2,6 Prozent der Männer, die mit TULSA-Pro therapiert wurden, leiden darunter. Als Folge einer Radikal-OP tritt die Blasenschwäche bei bis zu 30 Prozent der Betroffenen auf. Auch zu Harnwegsverengungen komme es nach Tulsa-Pro wesentlich seltener, sagt PD Dr. Peters. „In den Fällen, in denen eine Tulsa-Pro-Therapie angezeigt ist, hat die neue Methode genau die Vorteile, die sich die Patienten wünschen.“

Individuelle Prüfung und Diagnostik

Vor der Therapie finden ausführliche Beratungsgespräche statt. Genauso wichtig sind die genaue Identifikation und präzise Lokalisation der Krebsherde durch eine vorherige Bildgebung per Magnetresonanztomographie (MRT). „Erst danach können wir sagen, ob die TULSA-Therapie für den jeweiligen Patienten geeignet oder eine andere Behandlung sinnvoller ist“, sagt die Expertin aus Hannover.
Der Eingriff dauert eineinhalb Stunden unter Vollnarkose. Zwei Tage danach können die Patienten bereits wieder nachhause. Die Krankenkassen übernehmen in der Regel die Kosten. (red)