Frauen- und Männergesundheit

Migräne vorbeugen? Es geht!

Die wiederkehrenden, starken Kopfschmerzen schlagen enorm auf die Lebensqualität, werden aber selten richtig behandelt. Eine Spritze könnte die Attacken vermeiden.

09.11.2020
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Dr. Clara Park
Radiologin
RNS Gemeinschaftspraxis
Wiesbaden



Es gibt Tage, da geht Marlene nicht aus dem Haus. Dann liegt sie hinter abgedunkelten Fenstern im Bett. In ihrem Kopf tobt ein Sturm aus Schmerzen. Dazu ist ihr zum Brechen übel. Wenn sie ihre Migräne hat, ist an Arbeiten in Büro oder Haushalt nicht zu denken. So wie der 44-Jährigen aus Hannover geht es rund 18 Millionen Menschen in Deutschland, vor allem Frauen zwischen dem 35. und 45. Lebensjahr. Doch dass Migräne mehr ist als „nur“ ein Kopfschmerz, ist vielen nicht bekannt. Die Hälfte der Patienten ist deshalb trotz akuter Beschwerden nicht in Behandlung, sondern greift selbst zu Schmerzmitteln, die allerdings nicht speziell gegen Migräne wirken. Der europäische Kopfschmerztag am 12. September ist Anlass, mit einigen Vorurteilen aufzuräumen.

Späte Diagnose, falsche Therapie

Dazu gehört zum Beispiel, dass Migräne nur eine Ausrede oder eine Laune der Frauen sei oder dass es keine richtige Therapie dagegen gäbe. Beides ist falsch. Denn Frauen wie Marlene würden alles dafür geben, diese Schmerzen los zu sein. Auch gibt es durchaus Therapien, die helfen, die Schmerzen zu lindern und ein normales Leben zu führen.
Laut einer aktuellen Studie des Universitätskrankenhauses Hamburg Eppendorf (UKE) erhalten derzeit rund ein Drittel der Schmerzpatienten, die unter quälenden Migräneattacken leiden, keine sachgerechte Behandlung. Auch vergehe zu viel Zeit, bis Erkrankte eine ausreichende Diagnose bekommen. „Ein Aspekt ist sicher, dass Migräne weiterhin nicht ernst genommen wird. Tatsächlich aber handelt es sich um eine ernsthafte Erkrankung, die das Leben sehr stark einschränkt“, sagt Dr. Borries Kukowski, niedergelassener Neurologe und Psychiater aus Göttingen. „Ein anderer Grund liegt darin, dass Betroffene zu selten ärztliche und dann ggf. auch fachärztliche Hilfe in Anspruch nehmen.“

Vorbeugen mit der Migränespritze

Die neue Behandlungsleitlinie zur Vorbeugung von Migräne-Attacken sieht nun eine Migräne-Antikörpertherapie vor. Die sogenannte Migränespritze kann die Entstehung der Schmerzen bereits im Voraus verhindern. Mithilfe von speziellen Antikörpern schaltet sie den Schmerzrezeptor Calcitonin Generelated Peptide (CGRP) aus, der für die Schmerzweitergabe an die Nerven verantwortlich ist. Ähnlich wie bei der Insulin- oder Diabetesspritze können sich Patienten, nach einer kurzen Einweisung durch den Arzt, einmal im Monat den Wirkstoff selbst verabreichen. Im Vergleich zu den anderen bisherigen Therapiemöglichkeiten – bspw. Antidepressiva oder Antiepileptika – wirkt diese Form der Therapie besonders schonend.
Die Migräne-Prophylaxe sollte vor allem bei den Patienten zum Einsatz kommen, die im Alltag sehr unter der Erkrankung leiden, so Dr. Kukowski: „Dies lässt sich nur individuell und nicht nur über die pure Zahl der Migränetage pro Monat erfassen, sondern sollte auch die Intensität der Schmerzen und der Begleitsymptome (…) berücksichtigen.“ Ebenso sei eine Vorbeugung angezeigt, wenn Betroffene zu häufig Akutmedikamente einnähmen. Denn gerade die sogenannten Triptane bergen bei zu häufiger Einnahme das Risiko, den Kopfschmerz zu vermehren. Diesen „Medikamentenkopfschmerz“ gilt es zu verhindern und gleichzeitig die Lebensqualität zu verbessern.

Auslöser und Ursachen finden und abstellen

Unabhängig davon ist es immer wichtig, die Auslöser, auch „Trigger“ genannt, zu kennen. Ob das Stress, Käse oder Wein sind oder hormonelle Einflüsse, wie die Periode, oder ein veränderter Schlaf-Wach-Rhythmus, das ist individuell sehr verschieden.
„Hilfreich ist ein Kopfschmerz-Tagebuch, in das Sie nicht nur die ersten Symptome der Attacke, Lokalisation und Dauer der Schmerzen und die eingenommenen Schmerzmittel, sondern auch mögliche Zusammenhänge mit Einflussfaktoren im Alltag eintragen können“, rät der Experte. (red)