Frauen- und Männergesundheit

Migräne-Prophylaxe mit Antikörpern und Apps

Die starken Kopfschmerzen sind und bleiben für Betroffene sehr belastend. Doch neue Medikamente und digitale Angebote können helfen, diese im Vorfeld zu verhindern.

10.12.2020
Foto: Alexander Sell

Dr. Clara Park
Radiologin
RNS Gemeinschaftspraxis
Wiesbaden



In Deutschland gibt es rund sechs Millionen Migräne-Patienten. Sie leiden nicht nur unter heftigen Schmerzattacken im Kopf, sondern auch unter vielen Begleitsymptomen wie Übelkeit, Licht- und Lärmempfindlichkeit. Neben der „Migränespritze“ zur Prophylaxe gibt es weitere neue Medikamente, die die Schmerzen verhindern sollen. „In den vergangenen Monaten sind drei neuartige Medikamente für die Migräneprophylaxe in Europa zugelassen worden“, sagt PD Dr. med. Tim Jürgens, Präsident der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMGK) und Ärztlicher Leiter des Kopfschmerzzentrums Nord-Ost, Universitätsmedizin Rostock auf einer Online-Pressekonferenz zum Deutschen Schmerzkongress 2020. „Ärzte dürfen sie bei Patienten einsetzen, die nicht auf andere vorbeugende Therapien ansprechen.“

Schmerzsignale stoppen

Die neuen Medikamente gehören zur Gruppe der monoklonalen Antikörper (mAb). Diese richten sich gegen wichtige Botenstoffe, die bei der Entstehung von Migräneattacken eine zentrale Rolle spielen. Ziel der zugelassenen mAbs ist das Calcitonin Gene-Related Peptide (CGRP). Es wird aus Nervenzellen freigesetzt und spielt bei der Übertragung von Schmerzsignalen eine entscheidende Rolle. Die monoklonalen Antikörper zirkulieren als immunologisch aktive Eiweiße im Körper. Sie erkennen eine bestimmte Oberflächenstruktur des Botenstoffs CGRP beziehungsweise des CGRP-Rezeptors, binden daran an und blockieren somit die Weiterleitung von schmerzhaften Signalen.
Zugelassen sind zwei monoklonale Antikörper gegen CGRP (Fremanezumab, Galcanezumab) und ein monoklonaler Antikörper gegen den CGRP-Rezeptor (Erenumab).

Neue digitale Helfer nutzen

Priv.-Doz. Dr. med. Ruth Ruscheweyh, zertifizierte DMKG-Kopfschmerzexpertin an der Klinik und Poliklinik für Neurologie, Klinikum der Universität München, ergänzt, dass ein digitaler Kopfschmerzkalender ebenfalls bei der Prävention helfen könnte: „Hier geben Patienten vor ihrer Erstvorstellung beim Arzt und bei jeder Wiedervorstellung wichtige Informationen über ihre Kopfschmerzen in ein webbasiertes Patientenportal ein. So kann der Verlauf der Behandlung optimal verfolgt werden. Und der Arzt hat die Daten greifbar.“
Eine Migräne-App der Schmerzklinik Kiel setzt zusätzlich auf Patientenschulung, warnt vor Medikamenten-Übergebrauch und berechnet den Zeitpunkt, zu dem der Patient das Migränemittel Triptan einnehmen sollte. Und die Migräne-App „M-sense“ erfasst neben dem Kopfschmerzkalender täglich verschiedene mögliche Auslöser – und kann so nach einer gewissen Zeit Vorhersagen über individuelle Trigger machen.(red)