Frauen- und Männergesundheit

Hoffnung bei kreisrundem Haarausfall

Die kahlen Stellen am Hinterkopf sind vor allem für Männer ein Ärgernis. Doch die gängigen Mittel haben viele Nebenwirkungen. Ein neuer Therapieansatz könnte diese bald auf ein Minimum reduzieren.

12.06.2020
Das sich die Reihen auf dem Schopf lichten, bereitet vielen Männern Sorgen.  Foto: AdobeStock/goodluz Das sich die Reihen auf dem Schopf lichten, bereitet vielen Männern Sorgen. Foto: AdobeStock/goodluz
Foto: Alexander Sell

Dr. Clara Park
Radiologin
RNS Gemeinschaftspraxis
Wiesbaden



Medikamente kann man einnehmen, in die Vene spritzen oder über die Haut verabreichen. Nun ist es Wissenschaftlern gelungen, Arzneistoffe gegen kreisrunden Haarausfall direkt in menschliche Haarfollikel am Kopf einzuschleusen. Und zwar verpackt in biologisch abbaubare Nanopartikel. Das könnte die Wirksamkeit einer lokalen Behandlung dieser Erkrankung zukünftig verbessern.
Der kreisrunde Haarausfall, von Medizinern „Alopezia Areata“ genannt, ist ein entzündlich bedingter, reversibler Haarausfall, bei dem kreisrunde kahle Stellen auf dem Kopf entstehen. Rund zwei Prozent der Weltbevölkerung sind von der Erkrankung betroffen.

Fatale Botschaft

„Über Entzündungen auf der Kopfhaut werden Botenstoffe freigesetzt, die den Haarfollikeln mitteilen, keine Haare mehr zu produzieren“, erläutert Professor Thomas Vogt, Leiter der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie am Universitätsklinikum in Homburg. Gemeinsam mit Professor Claus-Michael Lehr vom Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS), einem Standort des Braunschweiger Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI), und Pharmazeuten forscht er daran, die lokale Behandlung dieser Erkrankung zu verbessern.

Weniger Nebenwirkungen zu erwarten

Medikamente zur Behandlung des kreisrunden Haarausfalls werden bisher entweder in Tablettenform verabreicht oder großflächig auf der Kopfhaut angewendet. Meist handelt es sich um Cortison-Präparate oder noch stärkere Mittel, die starke Nebenwirkungen hervorrufen können. „Um die Arzneimittelbelastung zu minimieren, wäre es von Vorteil, die Wirkstoffe direkt an ihren Wirkort, nämlich in die Haarfollikel, zu bringen“, sagt Claus-Michael Lehr, der am HIPS die Abteilung „Wirkstoff-Transport“ leitet. Seine Idee war es, eine solche gezielte „Anlieferung“ mit Hilfe von biologisch abbaubaren Nanopartikeln zu ermöglichen. Diese würden gleichermaßen als Verpackung und Transportvehikel für die Wirkstoffe dienen, die wiederum besser in die Haarfollikel eindringen könnten.
Haarfollikel sind längliche Einstülpungen der Kopfhaut, die das Haar verankern und den Haarschaft produzieren. Letzterer ist beim kreisrunden Haarausfall nicht mehr vorhanden, kann aber nach Abklingen der Entzündung neu gebildet werden.

Erfolgreich am Kopf erprobt

Dass es grundsätzlich möglich ist, Wirkstoffe mit Hilfe von Nanopartikeln in Haarfollikel einzuschleusen, hat Claus-Michael Lehr gemeinsam mit anderen Forschern bereits in früheren Studien gezeigt – bisher allerdings nur an behaarter Haut, nämlich am menschlichen Unterarm sowie im Laborexperiment an der Haut von Schweineohren. Für den Kopf war der Mechanismus bisher nicht nachgewiesen worden. „Darüber hinaus haben wir uns gefragt, ob Nanopartikel überhaupt in Haarfollikel eindringen können, die vom Haarausfall betroffen sind“, sagt Professor Lehr.

Wirkstoffdepots im Haarfollikel

Für ihre Studie führten die Forscher daher nicht nur Versuche an der menschlichen Unterarmhaut durch, sondern auch an der Kopfhaut, wobei unterschiedliche Gruppen einbezogen wurden: gesunde Probanden, kürzlich verstorbene Körperspender sowie Patienten mit kreisrundem Haarausfall.
Als Nanopartikel wurden biologisch abbaubare, bio-kompatible Polymere genutzt, die mit einem fluoreszierenden Farbstoff markiert wurden. „Wir konnten zeigen, dass das, was für Unterarme und die Haut des Schweineohrs gilt, auch für das Haupthaar zutrifft – selbst dann, wenn das Haar erkrankt ist und der Haarschaft nicht mehr vorhanden ist“, fasst Claus-Michael Lehr die Ergebnisse zusammen.

Vor dem Auswaschen geschützt

Mittels dermatologischer Untersuchungen, bei denen die Haut mikroskopisch bis in tiefere Schichten untersucht wird, fanden die Forscher heraus, dass im Haarfollikel ein Wirkstoffdepot angelegt wird, in dem das verkapselte Medikament gut gegen äußere Einflüsse wie Waschen geschützt ist. „Die Nanopartikel lagern sich im oberen Teil der Haarfollikel ab. Wir nehmen an, dass sie das Medikament kontrolliert freisetzen und dass es von dort an den Grund des Haarfollikels diffundiert und von den follikulären Epithelzellen und Immunzellen aufgenommen wird“, erläutert der Leiter der Hautklinik Thomas Vogt. (red)