Frauen- und Männergesundheit

Erhöhtes Prostatakrebs-Risiko nach Vasektomie

Für Männer, die keine Kinder mehr zeugen wollen, ist eine Vasektomie eine naheliegende medizinische Option. Doch der Eingriff kann Risiken bergen. Jüngste Studien bescheinigen der Sterilisationsmethode, dass mit ihr ein erhöhtes Risiko für Prostatakrebs einhergeht.

22.06.2022
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Dr. Clara Park
Radiologin
RNS Gemeinschaftspraxis
Wiesbaden



Bei einer Vasektomie, so der medizinische Begriff für die Sterilisation des Mannes, durchtrennt ein Urologe im Rahmen eines operativen Eingriffs die Samenleiter im Hodensack. Die freiliegenden Enden werden entweder umgeschlagen und mit einer Naht verschlossen oder mit Strom verödet.

So oder so können Spermien danach nicht mehr in die Samenflüssigkeit gelangen. Da die Operation ambulant unter Lokalanästhesie durchgeführt wird, weniger als 20 Minuten dauert und nur in seltenen Fällen zu Komplikationen führt, gilt sie als einfacher als die Sterilisation der Frau. Dadurch ist die Vasektomie in Deutschland eine beliebte Methode. Etwa fünf Prozent der Männer im Alter zwischen 18 und 49 Jahren entscheiden sich für eine Vasektomie.

Wie sich eine Vasektomie auf das Risiko für Prostatakrebs auswirkt, war in der medizinischen Fachwelt lange Zeit umstritten. Doch mittlerweile legen Studien nahe, dass der vermeintlich kleine Schnitt dahingehend durchaus negative Auswirkungen haben kann. Anfang 2020 veröffentlichten dänische Wissenschaftler im renommierten Fachblatt „Journal of the National Cancer Institute“ die Ergebnisse einer aufsehenerregenden Forschungsarbeit, auf die die Prostatahilfe Deutschland hinweist.

An der Studie am Kopenhagener Statens Serum Institut (SSI), dem zentralen Labor und Zentrum des dänischen Gesundheitsdienstes für die Prävention und Behandlung von Infektionskrankheiten, angeborenen Krankheiten und biologischen Bedrohungen, nahmen mehr als zwei Millionen dänische Männer teil. Rund 140.000 unterzogen sich einer Vasektomie. Bei ihnen zeigte sich zehn Jahre später ein um 15 Prozent erhöhtes Risiko für ein Prostatakarzinom als bei Männern, die diesen Eingriff nicht vornehmen ließen. Das war jedoch nicht nur ein vorübergehendes Phänomen. Das erhöhte Risiko blieb auch über einen Zeitraum von mindestens 30 Jahren nach der Vasektomie bestehen – und zwar unabhängig vom Alter des Mannes zum Zeitpunkt der Sterilisation.
Die Wissenschaftler der Studie sind sich sicher: Die Vasektomie birgt Langzeitrisiken in Bezug auf Prostatakrebs.

Als eine mögliche Erklärung dafür verwiesen sie auf Sekrete, die bei der Ejakulation durch die Prostata strömen und eine schützende Wirkung entfalten, was durch die Vasektomie wegfällt. Allerdings: In der Studie wurde ebenfalls festgestellt, dass Männer nach einer Vasektomie ein um neun Prozent geringeres Risiko für andere Krebsarten aufwiesen, was sich aber durch einen durchschnittlich gesünderen Lebenswandel nach dem Eingriff erklären lässt.

Die grundlegenden Erkenntnisse der dänischen Forscher, dass eine Vasektomie das Risiko für Prostatakrebs erhöht, werden mittlerweile durch eine Meta-Analyse bestätigt, deren Ergebnisse 2021 veröffentlichten wurden. Wenn auch mit deutlich niedrigeren Werten. Für die Meta-Analyse betrachteten Wissenschaftler der Oxfort-Universität 15 Kohortenstudien mit insgesamt mehr als vier Millionen Teilnehmern. Dabei kamen sie zu dem Ergebnis, dass eine Vasektomie mit einem um neun Prozent erhöhten Risiko für Prostatakrebs und einem um sieben Prozent erhöhten Risiko für fortgeschrittenen Prostatakrebs verbunden ist.
Auch angesichts der teils deutlichen Unterschiede zwischen den einzelnen Studien forderten die Autoren der Meta-Analyse, dass weitere prospektive Studien mit langen Nachbeobachtungszeiten notwendig seien, um validere Ergebnisse zur Höhe des Risikos zu erhalten. Außerdem müssten die molekularen Mechanismen, die zum erhöhten Risiko beitragen, noch genauer untersucht werden. (red)