Frauen- und Männergesundheit

Eierstockkrebs: Droht auch Brustkrebs?

Familiäre Vorbelastungen spielen bei der Entstehung von Krebs eine große Rolle. Nun haben Forscher einen genetischen Zusammenhang zwischen diesen zwei Krebsarten entdeckt.

01.04.2021
Foto: Alexander Sell

Dr. Clara Park
Radiologin
RNS Gemeinschaftspraxis
Wiesbaden



Eierstockkrebs ist oft ein eher zufälliger Befund. Schließlich werden diese Organe bei der jährlichen Routineuntersuchung in der gynäkologischen Praxis nicht mit gecheckt. Frauen, in deren Familie dieser Krebs bereits ein- oder mehrfach vorkam, haben ein deutlich höheres Risiko als andere, auch daran zu erkranken. Das gilt auch für Brustkrebs.
Doch nun gibt es neue Erkenntnisse: Eine Studie, die in der Abteilung für Gynäkologie und Gynäkologische Onkologie der Kliniken Essen-Mitte durchgeführt wurde, kommt zu dem Schluss, dass auch Frauen, die nur Eierstockkrebs und keine familiäre Vorbelastung für Brustkrebs haben, ein größeres Risiko für ein Mammakarzinom tragen. Der Grund: Fast jede vierte Frau, die an Eierstockkrebs erkrankt ist, wies in der Studie Mutationen in den Brustkrebs-Genen BRCA1/2 auf. Demnach liegt auch für Frauen, die keinerlei familiäre Vorbelastung haben, die Mutationswahrscheinlichkeit dieser Gene über dem Grenzwert von zehn Prozent. Ab diesem Grenzwert wird eine Genanalyse vom Deutschen Konsortium für Familiären Brust- und Eierstockkrebs befürwortet. Deshalb empfehlen die Studienautoren eine genetische Beratung und Testung für alle betroffenen Patientinnen – unabhängig von ihrer familiären Belastung.

Testung für die Therapie

Bisher war es nicht üblich, Frauen, die an Eierstockkrebs erkrankt sind, auf Brustkrebs-Gene BRCA1/2 zu testen. Aufgrund neuer Behandlungsmöglichkeiten wird die Genanalyse jedoch auch bei ihnen notwendig: So ist der Nachweis einer BRCA1/2-Mutation – sei es im Tumorgewebe, im Blut oder in der Keimbahn – für eine Behandlung mit PARP-Inhibitoren in Deutschland erforderlich. Diese neuen Krebsmittel, zu denen auch Olaparib gehört, können bei Frauen mit BRCA1/2-Mutationen die Zeit bis zu einem Rückfall der Erkrankung klinisch relevant verlängern. Gleichzeitig können sie auch die Wahrscheinlichkeit, in einem bestimmten Zeitraum einen Rückfall zu erleiden, deutlich senken.
Das Testergebnis der Genanalyse ist aber auch für nahe Angehörige der betroffenen Patientinnen wichtig. Denn im Falle einer erblichen (Keimbahn-)Mutation liegt die Wahrscheinlichkeit dafür, dass Mütter, Schwestern und Töchter diese ebenfalls aufweisen, bei 50 Prozent. Sie haben ein Lebenszeitrisiko von bis zu 70 Prozent, an einem Brustkrebs, und von bis zu 63 Prozent, an einem Eierstockkrebs zu erkranken.

Erkrankungsrisiko ermitteln

Um die Wahrscheinlichkeit auf ein positives Testergebnis besser abschätzen und eine Gentestung gezielt empfehlen zu können, hat das Deutsche Konsortium für Familiären Brust- und Eierstockkrebs eine Checkliste mit einem Punkte-Score entwickelt. Darin werden neben der patienteneigenen Krebsanamnese auch Fälle von Brust- oder Eierstockkrebs bei Geschwistern und Familienmitgliedern der väterlichen und mütterlichen Linie abgefragt.
Die Wahrscheinlichkeit für eine Erbgutveränderung geht mit einer deutlichen Steigerung des Krebsrisikos einher. Ab einem Checklisten-Scorewert von drei Punkten wird eine Mutationswahrscheinlichkeit von zehn Prozent oder mehr angenommen. Mediziner können dann eine genetische Beratung veranlassen.
Bislang erzielten Patientinnen mit Eierstockkrebs, bei denen kein erhöhtes familiäres Risiko vorlag, lediglich einen Wert von zwei Punkten. Folglich wurden sie nicht als Kandidatinnen für eine genetische Beratung identifiziert und entsprechend nicht getestet.

Risikogene untersuchen

Die Erfahrungen der Evangelischen Kliniken Essen-Mitte in den letzten Jahren sprechen jedoch dafür, allen Frauen mit Eierstockkrebs zum BRCA1/2-Test zu raten. Denn die Rate an BRCA1/2-Mutationen lag auch bei 223 Frauen mit negativer Eigen-/ bzw. Familienanamnese mit 10,8 Prozent über der vom Konsortium geforderten Zehn-Prozent-Schwelle. PD Dr. med. Beyhan Ataseven schätzt, dass etwa ein Drittel der BRCA1/2-Keimbahnmutationen übersehen werden, wenn allein auf Basis einer positiven Familienanamnese über eine Testung entschieden wird.
Sie und ihre Kollegen begrüßen es deshalb, dass aufgrund der Studienergebnisse nun auch Patientinnen mit Eierstockkrebs einen Punkte-Score-Wert von drei und damit eine Empfehlung für einen Gentest erhalten, auch wenn sie selbst erstmals an Krebs erkrankt sind und es zuvor noch keine Fälle von Brust- oder Eierstockkrebs in der Familie gab. (red)