Frauen- und Männergesundheit

Brustkrebs: Metastasen durch manipulierte Bindegewebszellen

Wie ein Tumor Tochtergeschwülste bildet, lag lange im Dunkeln. Forscher haben nun eine Erklärung dafür gefunden, wann sich die bösartigen Zellen woanders festsetzen können und wann nicht.

10.07.2020
Jeder Krebs ist anders. Deshalb ist Vorsorge so wichtig.  Foto: AdobeStock/Picture Partners Jeder Krebs ist anders. Deshalb ist Vorsorge so wichtig. Foto: AdobeStock/Picture Partners
Foto: Alexander Sell

Dr. Clara Park
Radiologin
RNS Gemeinschaftspraxis
Wiesbaden



Krebszellen können über die Blut- oder Lymphbahn in andere Bereiche des Körpers und dort Metastasen bilden, die eine erfolgreiche Therapie erschweren. Sie sind für 90 Prozent der krebsbedingten Todesfälle verantwortlich. Besonders häufig siedeln sich Tochtergeschwülste in Knochen, Lunge oder Leber an.

Metastatische Nische

Doch bis dahin ist es ein weiter und schwieriger Weg. Denn die entarteten Zellen begeben sich mit ihrer Wanderschaft durch den Körper zunächst auf feindliches Terrain. Viele sterben ab, bevor sie sich in anderen Geweben niederlassen und neue Krebskolonien bilden können. Denn zum Glück ist die körpereigene Abwehr darauf trainiert, gesundes Körpergewebe vor Eindringlingen zu schützen. Außerdem können eingewanderte Krebszellen nur überleben, wenn es ihnen gelingt, die Zellen in ihrer neuen Umgebung derart zu manipulieren. Erst wenn sie eine „metastatische Nische“ gebildet haben, haben sie eine Chance zu überleben.
Der Wissenschaftler Thordur Oskarsson untersucht mit seinem Team am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und am Heidelberger Institut für Stammzelltechnologie und Experimentelle Medizin (HI-STEM gGmbH), wie genau diese metastatische Nische entsteht.

Nährboden Entzündungen

Im Zell- und Tiermodell haben sie herausgefunden, dass einige besonders aggressive Brustkrebszellen eine entzündungsähnliche Situation im Lungengewebe verursachen. So sorgen sie letztlich dafür, dass sich die Krebszellen hier einnisten und zu Metastasen heranwachsen können. Doch was passiert danach? Die abgesiedelten Tumorzellen senden zwei Entzündungsbotenstoffe aus, sogenannte Interleukine. Sie regen die Bindegewebszellen (Fibroblasten) in der Lunge dazu an, selbst zwei weitere Entzündungssignale in die Umgebung abzugeben: CXCL9 und CXCL10. Diese heften sich wiederum an ein Rezeptormolekül, das einige aggressive eingewanderte Krebszellen auf ihrer Oberfläche tragen – ein entscheidender Schritt, um zu einer Metastase heranwachsen zu können.
Diese aggressiven Brustkrebszellen profitieren demnach direkt von der Entzündungssituation und den Botenstoffen, um sich weiterzuentwickeln.

Zelluläre Interaktion

„Interessanterweise besitzen genau die Tumorzellen, die die Bindegewebszellen dazu anregen CXCL9 und CXCL10 zu produzieren, auch den passenden Rezeptor für diese Botenstoffe, und profitieren so davon“, sagt Maren Pein, Erstautorin der Arbeit. „Das unterstreicht, wie entscheidend das zelluläre Zwiegespräch zwischen den abgesiedelten Krebszellen und den Fibroblasten in ihrer neuen Umgebung für die Entstehung von Metastasen ist.“ Doch diese Erkenntnis macht auch Hoffnung. Denn die Wissenschaftler konnten das Entstehen von Metastasen in der Lunge ihrer Versuchstiere verhindern, indem sie diese mit einem Hemmstoff behandelten, der das Rezeptormolekül auf den Krebszellen blockiert.
Um von diesen Erkenntnissen aber auf einen neuen Behandlungsansatz zu schließen, sei es noch zu früh, betont Oskarsson. „Unsere Arbeit dient zunächst einmal dazu, die grundlegenden Mechanismen zu verstehen, die notwendig sind, damit Metastasen überhaupt entstehen können“, erklärt der Wissenschaftler. „Aber natürlich hoffen wir, dass dieses bessere Verständnis dazu führt, dass wir in der Zukunft Metastasen verhindern können.“ (red)