Augen, Nase und Ohren

Tollkirsche hilft bei Kurzsichtigkeit

Die Anzahl der kurzsichtigen Kinder nimmt rasant zu. Das kann später ernste Konsequenzen haben. Deshalb sollte man schnell handeln. Forscher haben nun einen neuen Therapieansatz gefunden.

12.02.2020
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Kurzsichtigkeit beginnt gewöhnlich im Grundschulalter. Bis zum Alter von 25 Jahren steigt die Rate von 15 auf etwa 45 Prozent. Da die Fehlsichtigkeit später schwere Augenerkrankungen, wie Grünen oder Grauen Star oder eine Netzhautablösung begünstigt, sollte man früh reagieren. Forscher haben nun einen Ansatz für eine niedrig dosierte Therapie mit dem Wirkstoff Atropin gefunden. Sie ist nebenwirkungsarm und kann das Fortschreiten der Kurzsichtigkeit bei Kindern um bis zu 50 Prozent senken. Genaueres erläuterten Experten auf der Kongress-Pressekonferenz zum 117. Kongress der DOG Deutsche Ophthalmologischen Gesellschaft kürztlich in Berlin.

Mehr Auszeiten und Atropin

Es gibt zwei verschiedene Ansätze zu Besserung und Vorbeugung einer Kurzsichtigkeit. „Täglich zwei Stunden Aufenthalt im Freien bei Tageslicht halbieren das Risiko für Kurzsichtigkeit“, erläutert Professor Dr. med. Wolf Lagrèze von der Klinik für Augenheilkunde am Universitätsklinikum Freiburg. „Längeres Lesen in einem Abstand von weniger als 30 Zentimetern sollte vermieden werden“, fügt der Freiburger Augenarzt hinzu. Darüber hinaus gibt es spezielle Kontaktlinsen, die das Fortschreiten der Kurzsichtigkeit um bis zu 40 Prozent mindern können.
Als besonders wirksam hat sich eine Therapie mit Atropin-Augentropfen erwiesen. Atropin ist ein Wirkstoff, der aus der Tollkirsche gewonnen wird. Wegen ihrer Nebenwirkungen – Blendung und Nahsichtstörung – seien Atropin-Tropfen aber bisher kaum verordnet worden, berichtet der Experte. Das hat sich nun geändert. Denn Forscher aus Singapur haben eine Konzentration gefunden, die das Fortschreiten der Kurzsichtigkeit um bis zu 50 Prozent mindert und gleichzeitig weitgehend nebenwirkungsfrei ist. „Leichte Blendungsempfindlichkeit und Nahsichtstörung bilden sich darüber hinaus bei Absetzen vollständig zurück, sodass kein Schaden entsteht“, fügt der Ophthalmologe hinzu.

Anwendung der Tropfen

Von der Atropin-Therapie profitieren Kinder im Alter von sechs bis 14 Jahren, bei denen die Kurzsichtigkeit pro Jahr um mindestens eine halbe Dioptrie zunimmt. „Die Eltern geben abends vor dem Zubettgehen jeweils einen Tropfen in jedes Auge“, erklärt der Lagrèze. „Wichtig ist eine Tropfen-Zubereitung ohne Konservierungsmittel.“ Gut zu wissen: Diese Behandlung ist ein Off-Label-Use – ein Gebrauch, für den es bei Kurzsichtigkeit noch keine offizielle Zulassung gibt. „Nach zwei Jahren Therapiedauer entscheidet der Augenarzt, ob die Behandlung fortgesetzt werden sollte“, erläutert DOG-Experte Lagrèze. (red)