Augen, Nase und Ohren

Tinnitus: Musiktherapie für Senioren

Unangenehme Ohrgeräusche werden im Alter oft als normal angesehen und deshalb verharmlost. Dabei gibt es auch für betagte Patienten Therapien für mehr Lebensqualität.

24.01.2020

Etwa jeder über 65-Jährige leidet hierzulande unter Tinnitus. Tendenz steigend. Dieser Alterstrend lässt sich auch in der Tinnitusambulanz am Deutschen Zentrum für Musiktherapieforschung DZM e. V. in Heidelberg beobachten: Seit nunmehr 15 Jahren wird dort die Neuro-Musiktherapie bei Tinnitus angeboten und zunehmend von Senioren angefragt und in Anspruch genommen. Dabei taucht immer wieder die Besorgnis auf „für diese Therapie bin ich doch schon zu alt, oder?“.
Gerade weil sich die Best Ager laut der Generali Altersstudie überwiegend „reich, jung und fit“ fühlen, bedeutet ein dauerhaftes Ohrgeräusch eine deutliche Belastung und führt zu Einbußen der Lebensqualität.

Erfolge wie bei Jungen

Ausgehend von diesem Alterstrend wurde nun die „Neuro-Musiktherapie“ für chronischen Tinnitus speziell auf die Bedürfnisse der Generation 65plus abgestimmt.
Ergebnisse einer aktuellen Analyse an 140 Tinnitusbetroffenen bestätigen, dass Teilnehmer ab 65 Jahren (Durchschnittsalter 72 Jahre) davon profitieren – und sogar eine größere Chance auf Therapieerfolg erreichen wie eine im Schnitt rund 25 Jahre jüngere Vergleichsgruppe. Insgesamt erreichten rund 80 Prozent der behandelten Senioren eine spürbare Verbesserung ihrer Tinnitussymptome.
In der Regel sind die bisherigen Therapieangebote offen für eine sehr große Zielgruppe, richten sich vor allem an die Gruppe der berufstätigen Erwachsenen im Alter zwischen 35 und 60 Jahren. Eine spezielle Anpassung der Therapie erhöht allerdings die Therapiechancen drastisch.

Einfluss zurückgewinnen

Kernstück des musiktherapeutischen Behandlungskonzepts ist die Einbettung des Tinnitus in einen musikalisch steuerbaren Hörprozess. Dazu wird zu Beginn der Therapie für jeden Patienten mittels eines Synthesizers ein individueller tinnitus-ähnlicher Klang bzw. Rauschen erstellt. Dieser Klang wird dann aktiv und/oder rezeptiv musiktherapeutisch eingesetzt.
Die Patienten werden dadurch in die Lage versetzt, Kontrolle über ihren Tinnitus auszuüben und ihn bewusst zu regulieren.
Darüber hinaus werden mittels aktiver musikalischer Hörübungen und durch den gezielten Einsatz von akustischen Reizen (sogenannte „Tinnitus-Dekonditionierung“) die veränderten Gehirnregionen positiv reaktiviert und zu einer „Normalisierung“ geführt.

Kompakttherapie möglich

Die Therapie eignet sich für Menschen mit akutem und chronischem Tinnitus. Sie wird vom DKZ als Kompakttherapie angeboten, das eines der größten musiktherapeutischen Forschungsinstitute Europas ist.
Musiktherapeuten, Mediziner, Musikwissenschaftler und Psychologen entwickeln und erforschen hier gemeinsam musiktherapeutische und musikmedizinische Konzepte zur Verbesserung der Lebenssituation Betroffener. Die Patienten lernen hier, sich mit dem Tinnitus auseinanderzusetzen, statt ihn zu überhören. Ebenfalls erfahren sie, wie man die Steuerungsprozesse der Hörbahn trainiert und körperliche Reaktionen vom Ohrgeräusch entkoppeln kann.
Die Neuro-Musiktherapie bleibt aber trotz der guten Studienlage eine individuelle Gesundheitsleistung (IGeL). Ein Nachfragen bei der Krankenkasse, wegen einer Kostenübernahme im Vorfeld der Behandlung, lohnt sich trotzdem. (red)