Augen, Nase und Ohren

Schwindel – was steckt dahinter?

Es ist ein Symptom, das viele Ursachen haben kann. Meist sind diese harmlos. Ein Gang zum HNO-Arzt ist dennoch immer wichtig.

12.06.2019

Menschen, die zum ersten Mal ein Erdbeben erleben, sind bis ins Mark verunsichert. Ähnlich erleben Betroffene einen Schwindel. Plötzlich dreht sich alles, der Boden schwankt, Übelkeit kommt auf. Es ist wie ein Sog, der jeden in die Tiefe zieht.
Doch obwohl die Symptome wahrlich beängstigend sind, sind die meisten Schwindelformen gut behandelbar.
Fest steht: Schwindel ist ein vieldeutiges Symptom, das unterschiedliche Ursachen haben kann. Die meisten Störungen finden sich im Innenohr, genauer im Gleichgewichtsorgan. Dieses besteht aus komplizierten Sensoren, die Augen- und Körpermuskeln ansteuern. Kommt es hier zu Störungen, treten Schwindelsymptome auf, erklärt Prof. Dr. Leif Erik Walther, HNO-Arzt aus Sulzbach im Taunus: „Die weitaus häufigste Störung im Innenohr ist der gutartige Lagerungsschwindel. Diese Erkrankung tritt auf, wenn Kopf- und Körperposition geändert werden, zum Beispiel beim Aufstehen oder Hinlegen oder unbewusstem Drehen im Bett. Daher erleben die meisten Patienten diese Form des Schwindels plötzlich in der Nacht.“

Hörstörungen häufige Ursache

In der Regel bestehe dann jedoch kein Anlass zur Sorge, fährt der HNO-Arzt fort: „Die Erkrankung ist absolut gutartig und lässt sich gut behandeln. Ursache ist eine harmlose Ablösung von Ohrsteinchen, sogenannten Otokonien.“
Die Erkrankung könne jedoch auch komplizierte Formen annehmen, warnt der HNO-Experte. „In diesen Fällen sollte auf jeden Fall ein HNO-Arzt aufgesucht werden, der in der Lage ist, eine spezielle Diagnostik durchzuführen und eine Therapie zu empfehlen.“
Darüber hinaus könne Schwindel von einer Störung des Gehörs und Ohrgeräuschen begleitet werden. Möglich sei ein Morbus Menière, eine attackenartig auftretende chronische Störung der Innenohrfunktion oder ein Akustikusneurinom, ein langsam wachsender gutartiger Tumor des Hörnervs.
Mit moderner Diagnostik könne man heute sicher abklären, woher die Beschwerden kommen, so Walther: Außerdem stünden neue Behandlungsmethoden zur Verfügung, die das Innenohr nicht mehr irreversibel zerstörten. „Morbus Menière kann man heute durch die Gabe von hochdosiertem Kortison ins Mittelohr über einen kleinen Eingriff deutlich lindern oder den Verlauf hinauszögern“, so der Experte.

Stress und Medikamente

Mit dem funktionellen Schwindel habe in den letzten Jahren eine weitere Form der Erkrankung in der Praxis zugenommen, berichtet der niedergelassene HNO-Arzt. Schwindel sei dann oft nur ein erstes Symptom, beispielsweise bei Angststörungen und depressiven Erkrankungen. „Hier ist ein zügiges Handeln notwendig, da sich solche Erkrankungen häufig nur frühzeitig vollständig behandeln lassen, ehe sie chronifizieren“, rät Walther.
Schwindelsyndrome können hier zum Beispiel aus Konfliktsituationen, wie Verlusterlebnissen und familiären oder beruflichen Belastungssituationen, hervorgehen. Oft trete Schwindel auch als unerwünschte Nebenwirkung von Medikamenten auf. „Schwindel und Stürze werden besonders häufig bei der Einnahme von blutdrucksenkenden Mitteln und Psychopharmaka beschrieben“, so Walther.
Auch hier sei eine frühzeitige Abklärung beim HNO-Arzt sinnvoll. „Die Gabe von Medikamenten ohne eine vorherige Diagnostik, also ohne die Suche nach der Ursache, ist nicht sinnvoll. Sie kann im Gegenteil dazu führen, dass Patienten Folgeerkrankungen, wie Stürze, erleiden, die dann gravierende Folgen haben können.“
In diesem Fall ist es wichtig, zusammen mit dem behandelnden Arzt, Vor- und Nachteile abzuwägen und ggf. nach Alternativen zu suchen. (red)