Augen, Nase und Ohren

„Nuschel nicht so!“

Dieser Vorwurf an andere ist meist falsch. Wer ihn mehrmals pro Woche ausspricht, sollte vielmehr sein eigenes Gehör überprüfen lassen.

10.01.2020
Foto: AdobeStock/Photographee.eu Foto: AdobeStock/Photographee.eu

Es ist schwer zu akzeptieren, dass der Körper nicht mehr so funktioniert wie früher. Vor allem in puncto Hören ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass es nicht die anderen sind, die nuscheln, sondern die eigenen Ohren schlechter geworden sind.
Hörakustiker kennen diese Problematik zur Genüge. Sie ist geradezu typisch für ihre Kunden, die mit einem Hörproblem zu ihnen kommen. Doch der Weg dahin ist lang. Denn die Betroffenen sehen die Schuld vielmehr bei allen anderen. Teils spaltet der Streit um die Ursache des schlechteren Verstehens und die vermeintliche schlechte Aussprache der anderen ganze Familien. Denn wie will man einem schlecht Hörenden beweisen, dass man selbst ganz normal und deutlich spricht?
Meist wissen die Betroffenen gar nichts davon, dass sie schlecht hören oder wollen es vielleicht auch nicht wahrhaben. Denn das Manko tut nicht weh und bereitet zunächst einmal keine Beschwerden – außer den anderen Menschen um einen herum, die sich die Vorwürfe anhören müssen.
Gerade gesprochene Sprache in Unterhaltungen oder im Fernsehen wird bei schlechtem Hören undeutlich und „nuschelig“ – mehr als die meisten anderen Töne und Geräusche, die der Betroffene ja vermeintlich noch „gut“ hört.

Hören in Teilen

Dies hat einen handfesten Grund: Die verschiedenen Laute in unserer Sprache haben einen ganz bestimmten Klang, der besser oder schlechter hörbar sein kann. So klingen die Laute /o, u, a/ laut und tief, was für die meisten noch gut hörbar ist. Andere Buchstaben wie /s, t, k/ oder /f/ sind für viele Menschen mit einem Hörverlust nicht gut zu hören. Gerade Schwerhörigen fehlen beim Sprache-Hören mitten im Wort einfach diese Laute, denn sie liegen oft genau in ihrem verlorenen Hörbereich.
Betroffene können den Sinn des Gehörten dann nicht mehr verstehen, denn sie hören nur einen Teil des Wortes. Den anderen Teil „verschluckt“ ihr schlechtes Gehör – und nicht der Sprecher! Zum Beispiel hört man bei , oder das lange /o:/ sehr gut, man kann das Wort ungefähr einordnen. Doch der genaue Anfangs- oder Endlaut kommt verwaschen an, und man muss raten, was der andere gesagt haben könnte. Hören ist also noch lange nicht dasselbe wie Verstehen! Findet die Unterhaltung bei Hintergrundgeräuschen statt, wie im Restaurant oder bei einer Feier, ist das Verstehen noch sehr viel schwieriger.

Gehirn ermüdet

Die gute Nachricht dabei: Unser Gehirn kann die fehlenden Buchstaben bis zu einem gewissen Grad „überbrücken“, indem es den Zusammenhang kennt und vieles ergänzen kann. So fällt das mangelnde Verstehen zunächst gar nicht auf. Doch die schlechte Nachricht: Dieses ständige Ergänzen und Mitdenken ist auf Dauer sehr anstrengend für den Kopf. Menschen mit Hörverlust müssen sich stärker konzentrieren als andere, um alles mitzubekommen. Sie sind dann oft nach längeren Unterhaltungen oder Feiern völlig erschöpft. Fachleute sprechen hier von Höranstrengung. Und wer etwas als sehr anstrengend empfindet, zieht sich davon zurück, innerlich oder auch äußerlich: Betroffene nehmen an Unterhaltungen keinen Anteil mehr oder meiden Treffen sogar ganz.
Die Präsidentin der Europäischen Union der Hörakustiker e. V., Beate Gromke, empfiehlt: „Wer all das schon einmal bei sich beobachtet hat, sollte sein Gehör testen lassen, um rechtzeitig etwas zu unternehmen!“ Die meisten Hörakustiker bieten den Hörtest und die Beratung kostenlos an. (red)