Augen, Nase und Ohren

Neue Fortschritte bei Hörprothesen

Dank fortschrittlicher Technik ist es bereits heute möglich, die Lebensqualität von hochgradig Schwerhörigen und selbst Gehörlosen und Ertaubten zu verbessern. Und die Forschung schreitet weiter voran. Nun ist Wissenschaftlern ein weiterer Durchbruch gelungen.

24.09.2021
Cochlea-Implantate können hochgradig Schwerhörigen und sogar ertaubten Menschen helfen.  Foto: AdobeStock/Peakstock Cochlea-Implantate können hochgradig Schwerhörigen und sogar ertaubten Menschen helfen. Foto: AdobeStock/Peakstock

Cochlea-Implantate können bereits jetzt eine große Hilfe sein. Gesprochene Worte verstehen, eine normale Sprache entwickeln – diese Hörprothese ermöglicht Menschen mit hochgradigem Hörverlust einen großen Gewinn an Lebensqualität. Problematisch sind jedoch Hintergrundgeräusche. Sie beeinträchtigen das Sprachverständnis von Menschen mit Cochlea-Implantat erheblich. Auch sprachliche Feinheiten wie eine Änderung der Tonhöhe bei Sprechenden können Menschen mit dieser Prothese nicht heraushören. Ein Team um Tobias Moser vom Institut für Auditorische Neurowissenschaften und InnenOhrLabor der Universitätsmedizin Göttingen und Forscher von der Forschungsgruppe Auditorische Neurowissenschaften und Optogenetik am Deutschen Primatenzentrum – Leibniz-Institut für Primatenforschung (DPZ) arbeitet daran, die Implantate dahingehend noch weiter zu verbessern. Dabei haben sie einen weiteren wichtigen Schritt hin zur Entwicklung neuartiger Hörprothesen gemacht.
Das Ziel ist es, die Nervenzellen im Ohr mittels gentechnischer Methoden lichtempfindlich zu machen, um sie dann mit Licht, statt wie bisher mit Strom anzuregen. Denn mit Licht, so die Erwartung der Forscher, können die Neuronen im Ohr selektiver angeregt werden. Das Ergebnis wäre ein optisches Cochlea-Impantat, das den Höreindruck der Träger deutlich verbessert.
Nun ist es dem Team in Kooperation mit Röntgenphysikern gelungen, durch kombinierte bildgebende Verfahren von Röntgentomographie und Fluoresenzmikroskopie detaillierte Nachbildungen der Hörschnecken von Nagetieren und nicht-humanen Primaten zu erstellen. Sie liefern wichtige Daten für das Design und die Materialbeschaffenheit optischer Cochlea-Implantate. Kenntnisse über die genaue Anatomie der Cochlea sind für die Entwicklung der nächsten Prothesen-Stufe von entscheidender Bedeutung.
Außerdem gelang ihnen die Simulation der Ausbreitung des Lichts in der Cochlea, auch Hörschnecke genannt, von Weißbüschelaffen, die deutlich zeigte, dass eine optische Stimulation zu einem viel differenzierterem Höreindruck führt als die bislang verwendete elektrische Stimulation. „Nach unseren Berechnungen führen optische Cochlea-Implantate zu einer deutlich verbesserten Hörwahrnehmung, welche Sprache, aber auch Musik einschließen dürfte“, verdeutlicht Tobias Moser.
Die Entwicklung optischer Cochlea-Implantate ist ein komplexes Unterfangen, das von der Erforschung grundlegender Prinzipien bis zur Anwendung in der Klinik viele Forschende verschiedener Disziplinen einbezieht. Ein Faktor ist die komplizierte Struktur der Cochlea, die für Untersuchungen selbst mit modernsten Verfahren nur schwer zugänglich ist.

Für die Entwicklung von optischen Cochlea-Implantaten ist die detaillierte Kenntnis des Aufbaus der Cochlea jedoch entscheidend. Zur Entwicklung sowie zur Überprüfung der Wirksamkeit und der Sicherheit von optischen Cochlea-Implantaten sind die Forschenden auf Tierversuche angewiesen. Zu den geeigneten Tiermodellen gehören Nagetiere wie Maus, Ratte, Wüstenspringmaus und mit fortschreitendem Forschungsstand auch nicht-humane Primaten. Die Forschungsgruppe Auditorische Neurowissenschaften und Optogenetik forscht am DPZ mit Weißbüschelaffen, deren Verhalten bei der vokalen Kommunikation dem des Menschen ähnlich ist.
Laut Daten der WHO leiden übrigens 430 Millionen Menschen weltweit an Schwerhörigkeit und Taubheit (immerhin fünf Prozent der Weltbevölkerung). Die Ursachen sind vielfältig: genetische Faktoren, Infektionen, chronische Krankheiten, Trauma des Ohres oder des Kopfes, laute Geräusche und Lärm, aber auch Nebenwirkungen von Medikamenten.

(red)