Augen, Nase und Ohren

Hörverlust schwächt das Gedächtnis

Der Hörsinn beeinflusst unsere kognitiven Fähigkeiten. Das ist bekannt. Nun haben Wissenschaftler herausgefunden, dass bereits der erste Hörverlust die Gedächtnisleistung reduziert.

16.08.2020
Schon junge Menschen leiden unter Hörverlust  –  und damit unter einer schlechteren Erinnerungsleistung.  Foto: AdobeStock/leonidkos Schon junge Menschen leiden unter Hörverlust – und damit unter einer schlechteren Erinnerungsleistung. Foto: AdobeStock/leonidkos

Hörminderungen gehören zu den häufigsten Risikofaktoren für Demenzerkrankungen. Das unterstreicht eine aktuelle Studie der Columbia University. Dort wurden Testergebnisse von 6451 Personen im Alter von über 50 Jahren ausgewertet. Unter den Teilnehmern der Studie waren erstmals auch Menschen mit Hörverlusten unterhalb der Schwelle von 25 dB. Diese Gruppe wird nach Leitlinien der WHO noch nicht als schwerhörig klassifiziert.

Ausgeprägte Überbelastung

Durch bildgebende Verfahren konnten die Forscher feststellen, wie bestimmte Bereiche des Gehirns reagieren, wenn der Proband sich auf Gehörtes konzentriert, das durch Störgeräusche oder eine Hörminderung beeinträchtigt ist. Gemessen wurde eine ausgeprägte Überbelastung. Und das nicht nur bei schweren Fällen. Schon das erste Entstehen eines Hörverlustes und leichte Hörminderungen haben einen deutlichen Einfluss auf die kognitiven Fähigkeiten des Gehirns.
Bereits frühere Studien haben dieses Ergebnis nahegelegt. Die Altersforscherin Helene Amieva von der Universität Bordeaux hat in einer 25 Jahre laufenden Langzeitstudie 2015 nachweisen können, dass bei Menschen mit einem unversorgten Hörverlust die geistige Leistung wesentlich schneller abbaut als bei Hörgeräteträgern. Auch der renommierte Hörforscher Frank Lin von der Johns Hopkins University in Baltimore und sein Team stellten fest, das hörgeminderte ältere Menschen ohne Hörgerät ein um 24 Prozent höheres Risiko für kognitive Beeinträchtigungen haben. Die aktuellen Ergebnisse aus Columbia überraschen jedoch auch ihn. Er nannte sie in einem Artikel des Fachmagazins „The Lancet“ einen Weckruf.

Hörgeräte helfen

Durch die neuen Erkenntnisse der Studie fordern die Forscher, bei der Behandlung von Hörminderungen bereits Fälle unterhalb der 40 dB, was als mittelgradige Schwerhörigkeit gilt, in Betracht zu ziehen. Justin Golub, Leiter der Baltimore-Studie, legt zudem nahe, den Blickwinkel auf die Thematik zu ändern und die Schonung von gutem Gehör als wichtigen Beitrag zur Demenzprävention zu sehen. „Erkläre einem Menschen, dass er durch laute Musik später schwerhörig sein wird mit starkem Demenzrisiko – es interessiert ihn kaum“, sagt er. „Wenn du aber sagst, hören ist gut für dein Gehirn, sieh zu, dass du immer gut hörst, umso fitter bist und bleibst du – dann dürfte es nachhaltig wirken.“ Er geht außerdem davon aus, dass der Rückgang der kognitiven Fähigkeiten durch die rechtzeitige Versorgung mit einem Hörgerät deutlich gemindert werden kann. (red)