Augen, Nase und Ohren

Haarsinneszellen hören gemeinsam besser

Sie verwandeln Schall- wellen und transportieren sie vom Ohr zum Gehirn. Sind die Töne jedoch sehr leise, nutzen die Haar-
sinneszellen eine andere clevere Strategie.

30.01.2021
Foto: AdobeStock/Mike Orlov Foto: AdobeStock/Mike Orlov

Gemeinsam ist man meistens stärker. Das trifft auf vieles im Leben zu und ist offenbar auch beim Hören nicht anders. Wissenschaftler haben nun erstmals beweisen können, dass sich die Haarsinneszellen im Innenohr, die wie ein wogendes Meer die eintreffenden Schallwellen aufnehmen und für die Weiterleitung ans Gehirn umwandeln, mitunter zusammenschließen.
Die Forschenden des Göttingen Campus, des Exzellenzclusters „Multiscale Bioimaging“ und des University College London fanden heraus, dass sich die in der Hörschnecke sitzenden Haarsinneszellen verbünden. Das tun sie um – so die Vermutung –, um die Empfindlichkeit des Hörsinns für leisen Schall und die Zuverlässigkeit der Signalübertragung zu erhöhen.

Zellverbände für leise Töne

Bisher nahm die Hörforschung an, dass die Sinneszellen der Hörschnecke, die inneren Haarzellen, elektrisch strikt voneinander getrennt sind und auf diese Weise eine maximale Auflösung der Tonhöhen erreicht wird. Nun gelang der Nachweis, dass diese Annahme zumindest in der Hörschnecke erwachsener Nagetiere, die sich besonders für auf den Menschen übertragbare Tests eignen, nicht immer stimmt. Vielmehr verbinden sich dort offenbar Zellen zu einer elektrischen und chemischen Einheit mit durchschnittlich drei inneren Haarzellen. Diese können dann gemeinsam angeregt werden und das akustische Signal besser weiterleiten.
In erwachsenen Tieren sind etwa in einem Drittel der Fälle Haarsinneszellen Teil dieser erstmals nachgewiesenen Zellverbände. Mit Hilfe hochauflösender Fluoreszenzmikroskopie zeigten die Wissenschaftler, dass die Bandsynapsen aller Zellen eines solchen Verbands gemeinsam auf eine Reizung einer einzelnen Zelle reagieren und sich Farbstoffe und Stoffwechselprodukte von Zelle zu Zelle verteilen (siehe Abbildung).

Verbesserte Sinnesfunktion

„Diese Studie eröffnet eine spannende neue Perspektive in der Sinnesforschung“, sagt Prof. Dr. Carolin Wichmann, Arbeitsgruppenleiterin am Institut für Auditorische Neurowissenschaften, UMG, und Projektleiterin im Sonderforschungsbereich 889 sowie im Exzellenzcluster „Multiscale Bioimaging“. Computer-Simulationen legen zudem nahe, dass die Verarbeitung schwacher Schallsignale durch die Bildung von elektrisch-gekoppelten Verbänden der Haarsinneszellen verbessert wird.
Die Organisation in Zellverbänden macht die Sinnesfunktion empfindlicher und zugleich robuster. So kann eine Haarsinneszelle, selbst wenn ihre Härchen-Strukturen beschädigt sind, von ihren Nachbarzellen mitgezogen werden. Die Tonhöhenauflösung wird durch die begrenzte Zellzahl in den Zellverbänden offenbar nicht vermindert.(Stefan Weller/red)