Alters- und Palliativmedizin

Wenn es zu Ende geht...

Wenn er nicht plötzlich aus dem Leben gerissen wird, gleitet der menschliche Körper irgendwann in den Sterbeprozess. Was Angehörige tun können, um dem Sterbenden das Loslassen zu erleichtern und seiner Seele Trost zu schenken.

22.06.2022
Die letzten Stunden sollten ruhig und respektvoll verlaufen.   Foto: AdobeStock/Nithid Sanbundit Die letzten Stunden sollten ruhig und respektvoll verlaufen. Foto: AdobeStock/Nithid Sanbundit

Manchmal kommt ein Anruf vom Hospiz, vom Krankenhaus oder vom Pflegeheim, manchmal spüren es die Menschen, die einen Angehören zu Hause in der letzten Lebensphase begleiten, auch selbst: Jetzt geht es zu Ende, der Tod ist nicht mehr fern. Die Atmung wird flacher, bevor sie irgendwann in das typische Rasseln während des Sterbeprozesses übergeht. Der Blutdruck ist abgesackt, im blassen Gesicht hat sich das „Todesdreieck“ mit unnatürlich spitz aussehender Nase und eingefallenen Augen und Wangen gebildet. Der Patient ist unendlich müde, scheint fast nur noch zu schlafen, hat das Essen und Trinken längst eingestellt. Was kann in diesen Stunden, in denen der Arzt schweigt und die Medizin an ihre Grenzen gekommen ist, noch für den Sterbenden getan werden?
Sicher ist, dass er spürt, wenn ihm nahestehende Menschen bei ihm sind, die Hand halten, leise mit ihm sprechen. Das Trostspenden am Sterbebett muss behutsam und einfühlsam geschehen - in einer inneren Haltung des Respekts vor der sterbenden Person und der Ehrfurcht vor dem nahenden Tod.
Was der Sterbende zu seinen Lebzeiten geglaubt und gehofft hat, soll auch jetzt geachtet werden, rät
die Schweizer Website der Solothurner Spitäler. So könnte jetzt ein Seelsorger ans Sterbebett gerufen werden; ebenso spenden Gebete und Lieder, die der Kranke gekannt und vielleicht sogar geliebt hat, ihm in diesen Stunden Trost.
Sind mehrere Angehörige da, sollten alle Gelegenheit haben, leise mit dem Sterbenden zu sprechen, sich zu bedanken, ihn vielleicht um Verzeihung zu bitten, falls es noch etwas zu bereinigen gibt. Der Sterbende soll das Gefühl haben, dass alles in Ordnung ist, damit er leichter loslassen kann. Mediziner sind überzeugt, dass das Gehör lange erhalten bleibt. So kommen die Worte - oder zumindest deren Sinn - auch noch an, wenn das Bewusstsein längst eingetrübt zu sein scheint.
Ein sterbender Mensch braucht aber auch die Stille. Störende Geräusche von außen sollten ausgesperrt, eine Kerze angezündet werden. Der Sterbende spürt, wenn seine Hand gehalten oder über seinen Arm gestrichen wird; er spürt, wenn ihm in dieser ganz besonderen Stunde Geborgenheit, Trost und Liebe gezeigt wird.
Die meisten Menschen wollen im Sterben nicht allein sein. Manch einer kann aber auch leichter gehen, wenn niemand bei ihm ist - so berichten Angehörige immer wieder, dass die Person gerade dann gestorben sei, als sich kurze Zeit niemand mit ihr im Zimmer aufgehalten hat.
Kurz vor dem Ende wehren sich die wenigsten gegen den Tod, sondern haben ihn akzeptiert und sehen ihm gefasst entgegen. Viele Sterbende haben in ihren letzten Stunden davon gesprochen, dass sie erwartet werden, haben Eltern, Großeltern oder andere Familienmitglieder vor sich gesehen, die ihnen schon vorausgegangen sind und die sie jetzt erwarten. Dort, wohin wir alle gehen werden.

(eva)