Alters- und Palliativmedizin

Neue Hoffnung für Alzheimer-Patienten

Die Diagnose Alzheimer ist besonders niederschmetternd. Schließlich geht mit dem zunehmenden Verlust der geistigen Fähigkeiten eine rapide Abnahme der Lebensqualität einher. Doch die Wissenschaft macht Betroffenen ein Stückchen Hoffnung, was aktuelle Forschungsergebnisse der TU Darmstadt und der Universität Zürich zeigen.

24.09.2021

Alzheimer ist die häufigste Ursache für Demenz bei älteren Menschen. Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft geht davon aus, dass mindestens zwei Drittel aller Demenz-Krankheitsfälle darauf zurückgehen.
Besonders alarmierend: Die Zahl der Erkrankungen steigt kontinuierlich an. Laut den jüngsten epidemiologischen Schätzungen sind in Deutschland rund 1,6 Millionen Menschen von Demenz betroffen. Unterschiedliche Vorausberechnungen prognostizieren bis zum Jahr 2050 einen Anstieg auf bis zu drei Millionen.

Die genauen Ursachen von Alzheimer sowie die Mechanismen der Krankheit sind noch nicht gänzlich entschlüsselt, was allerdings für die Entwicklung von Therapien von entscheidender Bedeutung ist. In Zusammenarbeit mit amerikanischen und britischen Wissenschaftlern konnten Forschungsteams der TU Darmstadt einen möglichen Hauptprozess, der zum Absterben der Gehirnzellen führt, als Grund für eine Alzheimer-Erkrankung ausmachen.
Das physische Erkennungszeichen der Krankheit ist die Bildung kleiner Ablagerungen aus unlöslichen Proteinen – bekannt als Amyloid – im Gehirn der betroffenen Patienten. Dennoch ließ sich bislang das Fortschreiten der Krankheit auch durch Therapien, die die Bildung dieser Ablagerungen stoppten, nicht verhindern. Dies lässt vermuten, dass es sich bei diesen Ablagerungen mehr um einen Nebeneffekt als um den Auslöser der Krankheit handeln könnte. In den vergangenen Jahren wurde vorgeschlagen, dass ein Hauptprozess, der zum Absterben der Gehirnzellen führt, von chemischen Reaktionen zwischen verschiedenen Proteinen im Gehirn und essenziellen Metallen, etwa Kupfer und Eisen, mitbestimmt wird.
Das internationale Forschungsteam um Prof. Dr. Frederik Lermyte vom Fachbereich Chemie der TU Darmstadt hat diese Mechanismen genauer untersucht und fand neben Amyloid-Ablagerungen im Gehirn auch Nanopartikel aus Kupfer und Eisen. Die Wissenschaftler nehmen an, dass die chemischen Reaktionen, die zu ihrer Bildung führen, auch toxische Auswirkungen auf die Hirnzellen haben. Ihre im Fachmagazin „Science Advances“ veröffentlichten Ergebnisse könnten nun die Türen für die Entwicklung zukünftiger Therapien geöffnet haben.
Unterdessen ist man an der Universität Zürich in der Praxis bereits einen Schritt weitergekommen. Unter der Annahme, dass verklumptes Amyloid für die Schädigung der Nervenzellen verantwortlich ist, wurde dort der Wirkstoff Aducanumab entdeckt, die potenziell erste Behandlungsmethode zur Verlangsamung der Krankheit. Intravenös verabreicht, überwindet der Wirkstoff die Blut-Hirn-Schranke, bindet das Amyloid im Gehirn und beseitigt es mit Hilfe des Immunsystems.
In den USA wurde der Wirkstoff im Juni von US-Food and Drug Administration (FDA) zur Behandlung der Krankheit zugelassen. Die Zulassung ist allerdings an die Auflage gebunden, dass eine weitere Studie aufgelegt werden muss, da die bisherigen Studien-Daten noch zu widersprüchlich seien. Über einen Zulassung für Europa und damit auch für Deutschland entscheidet die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) Ende diesen Jahres.
Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft (DAlzG) sieht die Zulassung von Aducanumab zwiespältig. Einerseits verspricht dieser neue Ansatz einen Fortschritt bei der Behandlung der Krankheit. Sie gibt Betroffenen und ihren Familien die Hoffnung, dass das Fortschreiten der mit der Krankheit verbundenen kognitiven und funktionellen Beeinträchtigungen verlangsamt werden kann. Andererseits ist der Nutzen nicht klar genug belegt.
Wichtig ist aus Sicht der DAlzG außerdem genau wissen, wer für eine Therapie mit dem Medikament, das unter dem Namen Aduhelm erhältlich ist, infrage kommt. Denn die Behandlung ist auf Patienten mit leichter kognitiver Beeinträchtigung oder leichter Demenz beschränkt. Darüber hinaus müssen im Gehirn der Patienten die Alzheimer-typischen Amyloid-Plaques nachgewiesen werden, was vor Beginn der Behandlung eine Lumbalpunktion oder einen Gehirnscan erfordert. Auch regelmäßige MRT-Untersuchungen können zur Überwachung von Nebenwirkungen nötig sein. (red)