Alters- und Palliativmedizin

Medizinisches Cannabis weckt Interesse

17.11.2021

Seit mehr als vier Jahren ist in Deutschland die Verordnung von medizinischem Cannabis, Cannabisblüten und -extrakten sowie von cannabisbasierten Arzneimitteln auf Rezept möglich – trotz einer fehlenden Zulassung. 2022 steht die finale Auswertung der gesetzlich geforderten Begleiterhebung an, zu der alle Ärzte verpflichtet sind, die medizinisches Cannabis verschreiben. Etwa zwei Drittel der 10

000 dort dokumentierten Patienten berichten über positive Effekte nach einem Jahr Behandlung – vor allem bei chronischen Schmerzen. In hochwertigen Studien gibt es allerdings nach wie vor keinen sicheren Wirkungsnachweis und auch die Risiken einer längerfristigen Behandlung sind kaum untersucht.
„Die Behandlung chronischer Schmerzen mit medizinischem Cannabis steht in einem wachsenden Spannungsfeld von finanziellen Interessen, Hoffnungen der Betroffenen und einer nicht nachgewiesenen Effektivität“, sagt Professor Dr. med. Frank Petzke, Leiter Schmerzmedizin an der Klinik für Anästhesiologie der Universitätsmedizin Göttingen und Sprecher der Ad-hoc-Kommission „Cannabis in der Medizin“ der Deutschen Schmerzgesellschaft. Im ersten Halbjahr 2021 sei medizinisches Cannabis in Höhe von fast 90 Millionen Euro verschrieben worden. „Diese hohe Summe legt nahe, dass ein wirtschaftlich interessanter Markt mit erheblichen Kosten für die Solidargemeinschaft entstanden ist“, so Petzke weiter. Zahlreiche Anbieter haben den Cannabis-Markt für sich entdeckt. Dies schaffe laut Petzke einerseits verbesserte therapeutische Optionen, mache es den Behandlern und Patienten aber auch schwer, das richtige Präparat auszuwählen. „Patienten mit schweren Erkrankungen und Schmerzen sowie deren Ärzte haben ein gut nachvollziehbares Interesse an einer Behandlungsoption mit Cannabis“, sagt Petzke. Die geringe Evidenz und die fehlende Zulassung für viele potenzielle Indikationen erfordere aber auch eine kritische und rationale Auseinandersetzung mit Genehmigungsverfahren, sinnvollen Indikationen, tatsächlichem Nutzen, langfristigen Risiken und auch den Kosten der Behandlung.

(red)