Alters- und Palliativmedizin

Ein Schutzschirm für Schmerzpatienten

Die Pandemie hat viele Krankheiten in den Hintergrund gedrängt. Auch die Bedürfnisse von Millionen Menschen mit chronischen Schmerzen. Das muss sich ändern, fordern Experten.

07.08.2020
Foto: AdobeStock/Chlorophylle Foto: AdobeStock/Chlorophylle

In Deutschland leiden 23 Millionen Menschen unter chronischen Schmerzen. Doch aufgrund der aktuellen Lage entfallen multimodale Schmerzbehandlungen in Gruppen. Patienten sagen aus Angst vor Ansteckung ihre Termine beim Arzt oder Physiotherapeuten ab und Gruppentreffen bei Selbsthilfeeinrichtungen dürfen nicht stattfinden. Zudem wirken sich die psychischen Belastungen besonders stark auf Menschen mit chronischen Erkrankungen aus. Die Sorge vor Ansteckung und die Kontakteinschränkungen sind für sie ein großes Problem.

Die Ängste der Patienten

Anlässlich des bundesweiten Aktionstags gegen den Schmerz, der von der Deutschen Schmerzgesellschaft e.V. organisiert wurde, diskutierten Experten in einer Online-Pressekonferenz die aktuelle Lage. Ruth Boche. Sprecherin der Fachgruppe Pflegeexpert/innen Schmerz im Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) e.V., Münster/Berlin, äußerte sich in ihrem Vortrag zu den Ängsten und Bedürfnissen der Schmerzpatienten: So hätten Betroffene den Eindruck, dass ihre Beschwerden im Vergleich mit dem Virus kaum Bedeutung hätten. Auch fühlten sich viele mit ihren Problemen allein gelassen. „Ihnen fehlen erreichbare Ansprechpartner in den Ambulanzen und Tageskliniken, beim Hausarzt, bei Fachärzten oder Therapeuten“, so Boche. „Ein Telefonat kann die persönliche Visite und Einschätzung des Befindens und die nach gemeinsamem Abwägen getroffene Therapieentscheidung nicht ersetzen.“

Erhöhtes Schmerzempfinden

Durch die Kontaktsperre und die Verpflichtung, möglichst zu Hause zu bleiben, fehle es den Betroffenen zudem an Bewegung, sozialen Kontakten, an positiven Erlebnissen und vielem mehr. Das kann die Fokussierung auf den Schmerz und das Schmerzempfinden deutlich verstärken. Doch aus Angst vor Ansteckung werden Arztbesuche nicht wahrgenommen.
Heike Norda, 1. Vorsitzende der unabhängigen Vereinigung aktiver Schmerzpatienten in Deutschland (SchmerzLOS) e.V., Neumünster/Lübeck, fordert deshalb Ausnahmegenehmigungen für medizinisch notwendige Therapien ohne den erforderlichen Mindestabstand wie zum Beispiel Rehasport und mehr Angebote von Telefon- und Videosprechstunden von Therapeuten für betroffene Schmerzpatienten. Ein Schutzschirm für Schmerzpatienten sei nie nötiger gewesen als jetzt in der Corona-Zeit, in der viele Schmerztherapien abgesagt oder verschoben wurden, so die Patientenvertreterin: „Schmerz ist eine bio-psycho-soziale Erkrankung. Daher benötigen Menschen mit chronischen Schmerzen nicht nur eine kompetente medizinische Behandlung, sondern genauso eine psychologische, soziale und anderweitige therapeutische Hilfestellung.“ (red)