Allgemeine Medizin

Neue Prothesen: Bewegung ab Tag Eins

Nach einer OP mit künstlichen Gelenken musste man früher lange stillhalten.
Neue Therapiekonzepte verlangen sogar die zügige Mobilisierung nach dem Eingriff.

15.05.2019

Der Begriff „Fast Track“ bedeutet „Schnellspur“. Auf einer solchen ist die moderne Chirurgie schon länger unterwegs. Das Neue: Das Konzept der schnellen Mobilisierung der frisch Operierten hält nun auch in der Hüft- und Knie-Endoprothetik Einzug. Das berichteten Experten auf einer Pressekonferenz der AE – Deutsche Gesellschaft für Endoprothetik e. V. Ende November 2018 in Berlin. Die Fast-Track-Konzepte stehen für schnellere Erholung und weniger Komplikationen wie Thrombosen und Infekte. Ziel ist eine rasche Wiederherstellung und Erholung nach einer Operation und ein kürzerer Krankenhausaufenthalt. „Denn werden Körper und Immunsystem erst einmal durch langes Liegen und weitere bislang übliche Behandlungsabläufe aus dem Gleichgewicht gebracht und geschwächt, dauert es wesentlich länger, bis sich alles wieder normalisiert“, sagt auch Professor Dr. med. Florian Gebhard, Präsident der AE und Ärztlicher Direktor der Klinik für Unfall-, Hand-, Plastische und Wiederherstellungschirurgie am Universitätsklinikum Ulm. Eine gute Nachricht also für alle Betroffenen. Konkret könnten Krankenhausaufenthalte bei unkompliziertem Hüft- und Kniegelenkersatz um jeweils zwei bis drei Tage verkürzt werden.

Konzentration auf das Wesentliche

Begonnen hatte alles mit der Dickdarmchirurgie. Danach kamen weitere Operationen hinzu. Das Behandlungskonzept wurde Ende der 1990er-Jahre in Dänemark entwickelt. Das Verfahren, welches auch unter dem Begriff ERAS (enhanced recovery after surgery) bekannt ist, basiert auf einer Prozessoptimierung und strukturierten Behandlungspfaden rund um den Eingriff. „Das Prinzip besteht darin, alles Unnötige, Belastende und Überholte bei der Therapie weitestmöglich wegzulassen. Dafür kommen wissenschaftlich belegte, innovative Maßnahmen punkt- und passgenau für den jeweiligen Patienten zum Einsatz – und dies auch in der Phase vor und nach dem Eingriff“, sagt Professor Dr. med. Karl-Dieter Heller, Generalsekretär der AE und Chefarzt der Orthopädischen Klinik am Herzogin Elisabeth Hospital in Braunschweig. „Wesentliche Fortschritte in der Anästhesie und Intensivmedizin sowie die Entwicklung von gewebeschonenden, minimal-invasiven Operationstechniken haben nun die Voraussetzungen geschaffen, `Fast Track´ auch in der Endoprothetik zu etablieren“, berichtet der Mediziner aus seiner Erfahrung.

Punktgenaue Betäubung

So sind heute schonende Narkoseverfahren möglich, die den Patienten kaum belasten. Sie zeichnen sich durch eine gezielte Betäubung und Schmerzausschaltung aus.
Eine wichtige Rolle spielen hierbei moderne Rückenmarks- und Regionalanästhesien. Auch die sogenannte lokale Infiltrationsanästhesie (LIA) kommt zum Einsatz. Dabei injiziert der Chirurg während des Eingriffs ein Lokalanästhetikum direkt in das Operationsgebiet – etwa in Knochen, Knorpel, Bänder oder die Muskulatur.
Durch die punktgenaue Betäubung darf der Patient bis zwei Stunden vor dem Eingriff trinken und ist sofort nach dem Eingriff wieder wach, hat aber keine Schmerzen. „Dadurch kann der Operierte schon am gleichen Tag aufstehen und mit ersten physiotherapeutischen Übungen beginnen“, so Heller. Gleichzeitig schone die minimal-invasive Chirurgie mit ihren kleinen Zugängen und Schnitten die Muskulatur und erlaube damit von Anfang an einen größeren Bewegungsumfang. „In umfassenden Patientenschulungen lernen die Betroffenen bereits viele Wochen vorher alles über den Eingriff. Unter Anleitung von Physiotherapeuten üben sie frühzeitig das Gehen an Unterarmgehstützen und kräftigen ihre Muskulatur“, so der Experte.
Der Lohn für diese Mühen ist es wert: eine schnellere Rekonvaleszenz nach dem Eingriff, weniger Komplikationen und ein kürzerer Krankenhausaufenthalt. (red)