Allgemeine Medizin

Mit Kälteballon gegen Vorhofflimmern

Die Herzrhythmusstörung gilt als tickende Zeitbombe, erhöht sie doch die Gefahr für Schlaganfälle beträchtlich. Eine neue Therapie hilft nun schneller und schonender.

30.11.2018
Foto: AdobeStock / Jürgen Fälchle Foto: AdobeStock / Jürgen Fälchle

Herzrasen, innere Unruhe und Schwindel – diese und weitere Symptome können auf Vorhofflimmern hindeuten. Andere Patienten merken nichts von der Gefahr in ihrer Brust.
Vorhofflimmern gehört zweifellos zu den häufigsten und gefährlichsten Herzrhythmusstörungen. Meist werden zunächst Medikamente dagegen verschrieben. Greifen diese nicht oder werden sie von Patienten abgelehnt, raten Mediziner meist zu einer Ablation. Bei der sogenannten Radiofrequenzablation werden gezielt Lungenvenen verödet, die für die elektrischen „Störsignale“ verantwortlich sind.

Sicherer und individueller

Dazu hat sich in den letzten Jahren insbesondere die Kryoablation durchgesetzt. Diese ist deutlich schneller, dadurch für Patienten schonender und deshalb auch für ältere und schwer herzkranke Patienten gut geeignet.
Weltweit erstmalig haben Kardiologen an der Klinik für Innere Medizin II des Universitätsklinikums Ulm Anfang Oktober bei diesem Verfahren einen neuartigen Kryoballon eingesetzt. Der Vorteil: Durch Änderungen im Aufbau gelingt es, die Signale aus den Lungenvenen während der Ablation besser zu kontrollieren. Die Therapie kann dadurch noch individueller an den Patienten angepasst werden. „Mit der neu konzipierten Version des Kryoballons verkürzt sich nicht nur die Dauer des Eingriffs, sondern die Patienten werden auch weniger Röntgenstrahlung ausgesetzt“,
erklärt Dr. Tillman Dahme, Geschäftsführender Oberarzt und Leiter des Bereichs Elektrophysiologie an der Klinik für Innere Medizin II. „Durch die technischen Verbesserungen ist auch zu erwarten, dass die ohnehin bereits geringen Komplikationsraten bei der Kryoablation weiter abnehmen werden.“
Dass der Kryoballon („kryo“ ist altgriechisch für „Frost“, „Eis“) nun weltweit zum ersten Mal bei drei Patienten mit Vorhofflimmern am Universitätsklinikum Ulm eingesetzt wurde, kommt nicht von ungefähr: Dahme, ein national und international ausgewiesener Experte für Herzrhythmusstörungen und deren Behandlung. Er war an der zweijährigen technischen Entwicklung und den präklinischen Tests des Ballons federführend beteiligt.

Eisige Narbe im Vorhof

Ursache für das Vorhofflimmern sind unregelmäßige, elektrische Signale aus den Lungenvenen, die in die Herzvorhöfe weitergeleitet werden und dort den Rhythmus des Herzschlags beeinträchtigen. Um Abhilfe zu schaffen, wird der Kryoballon-Katheter mit dem aufblasbaren Ballon an der Spitze durch die Leistenvene bis in den linken Herzvorhof eingeführt. Dort wird der Ballon an der Öffnung zur Lungenvene platziert, aufgeblasen und mit einem Kühlmittel gefüllt. Die Kälte von bis zu -70°C führt dazu, dass sich eine kreisförmige Narbe um die Lungenvene bildet. Dadurch wird diese elektrisch isoliert und es gelangen keine elektrischen Störimpulse mehr von der Lungenvene in den Herzvorhof.
Die Behandlung kann Vorhofflimmern heilen, anders als medikamentöse Therapien, die in der Regel nur vorübergehend Linderung schaffen. Um allerdings eine hohe Qualität bei der Ablationstherapie zu gewährleisten, ist ein hohes Maß an Erfahrung erforderlich. Daher werden große Herzrhythmuszentren wie am Universitätsklinikum Ulm durch die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie zertifiziert.

Millionen Betroffene

Aktuell sind in Deutschland mehr als eine Million Patienten von Vorhofflimmern betroffen. Die Erkrankung tritt vermehrt bei Menschen mit Bluthochdruck, Herzfehlern, Herzerkrankungen, Diabetes und chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung auf. Diese können das Herzmuskelgewebe umstrukturieren, was die Ausbreitung der das Herz antreibenden elektrischen Impulse des Sinusknotens stört.
„Die Katheter-Ablation mit dem Kryoballon ist auch für Patientinnen und Patienten, die 75 Jahre oder älter sind, empfehlenswert“, so Dr. Alexander Pott, Assistenzarzt der Klinik für Innere Medizin II, der gemeinsam mit Dr. Dahme die ersten Eingriffe am Uniklinikum durchgeführt hat.
In den kommenden Wochen werden weitere Eingriffe mit dem neuen Kryoballon an ausgewählten Zentren in Deutschland und Europa, später dann auch weltweit folgen. (red)