Allgemeine Medizin

Kulturelle Unterschiede berücksichtigen

Migration ist nicht nur politisch und gesellschaftlich ein wichtiges Thema, sondern auch medizinisch. So weist die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) auf die besonderen Herausforderungen hin, die unter anderem kulturelle Unterschiede im Umgang mit Diabetes-Patienten mit sich bringen.

17.11.2021

Jeder vierte in Deutschland lebende Mensch hat einen Migrationshintergrund. Schätzungen zufolge sind etwa 600 000 von ihnen an Diabetes mellitus erkrankt. Kulturelle, sprachliche sowie häufig auch bildungsbedingte Barrieren können das Management der Stoffwechselerkrankung Diabetes im Alltag erschweren. Behandelnde Ärzte sowie das Diabetes-Schulungspersonal sollten laut der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) bei der Diagnose, Therapie, Beratung und Schulung von Menschen mit Diabetes und Migrationshintergrund auf ihre sprachlichen und kulturellen Unterschiede eingehen.
Zahlreiche Studien bestätigen, dass Menschen mit Migrationshintergrund je nach Herkunftsregion deutlich häufiger, früher und stärker von Typ-2-Diabetes betroffen sind als die restliche Bevölkerung. Viele der Migranten hierzulande stammen aus der Türkei, Polen, Russland oder aus Nordafrika – Regionen, bei denen in den nächsten Jahren mit einer besonders hohen Zunahme der Inzidenz an Diabetes gerechnet wird. „Da die kulturelle Vielfalt auch in den meisten Fällen eine Herausforderung bei der medizinischen Versorgung mit sich bringt, ist es umso wichtiger, sich mit den Besonderheiten bei der Diabetes- und Adipositasbehandlung von Migranten hinreichend auszukennen“, sagt Professor Dr. med. Werner Kern von der DDG.
Menschen mit Diabetes und Migrationshintergrund sind häufig unzureichend versorgt. „Aus Angst durch Krankschreibungen oder andere medizinische Maßnahmen den Arbeitsplatz zu verlieren, werden Arztbesuche und Vorsorgeuntersuchungen von den Betroffenen oft nicht wahrgenommen“, so der Ärztliche Leiter des endokrinologikum Ulm. Diabetes aber auch Adipositas und die damit verbundenen Risikofaktoren wie Bluthochdruck oder erhöhte Blutfettwerte bleiben daher häufig lange Zeit unentdeckt und unbehandelt.
Rein medizinisch gesehen gibt es bei der Behandlung des Diabetes keinen Unterschied zwischen Migranten und in Deutschland geborenen Patienten. Es gibt aber kulturspezifische Besonderheiten, die im Sinne einer optimalen Therapie beachtet werden sollten. „So wird in manchen Kulturen eine Krankheit als Schicksal, Sühne oder Prüfung Gottes gesehen, die geduldig ertragen werden muss. Die Patienten haben Skrupel zu verändern, was Gott ihnen gegeben hat“, so Kern. Auch religiöse Einflüsse spielen eine wichtige Rolle. „So kann beispielsweise der Fastenmonat Ramadan für das Diabetes-Team und die Patientin oder den Patienten eine echte Herausforderung darstellen – vor allem, wenn Insulin und blutzuckersenkende Medikamente verwendet werden, die ein hohes Risiko für Unterzuckerungen bergen.“ Sprachbarrieren können ebenso ein großes Problem darstellen. „Häufig sprechen Patienten Probleme aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse nicht an. Manchmal kommt es auch dazu, dass Angehörige oder Dolmetscher komplexe medizinische Zusammenhänge nicht richtig übersetzen können und dadurch Informationen verloren gehen.“

(red)