Allgemeine Medizin

Impfstoffe schlucken und inhalieren

Impfen ohne Nadel? Das ist nicht nur eine Option für Menschen, die eine Impfung mit der Spritze als unangenehm empfinden oder unter einer Spritzen-Phobie leiden. Die Forschung arbeitet derzeit an Alternativen.

12.07.2021
Einfach nur schlucken - die ideale Impfung.  Foto: AdobeStock/ Einfach nur schlucken - die ideale Impfung. Foto: AdobeStock/

„Schluckimpfung ist süß – Kinderlähmung ist grausam“: Unter diesem Slogan wurden seit 1961 unzählige Kinder in Deutschland gegen Polio geimpft: Mit Erfolg – erkrankten nach Angaben des Robert-Koch-Instituts 1961 in der Bundesrepublik mehr als 4600 Menschen an Kinderlähmung, waren es ein Jahr später nur noch etwa 290.
Die Impfung war denkbar einfach: Der oral verfügbare, trivalente Lebend-impfstoff mit abgeschwächten Varianten der Polio-Virustypen 1, 2 und 3 wurde auf ein Stück Würfelzucker getropft und einfach von den Kindern eingenommen.
Allerdings war die Polio-Schluckimpfung für Personen mit geschwächtem Immunsystem nicht geeignet – in seltenen Fällen wurde die Krankheit durch den Impferreger sogar ausgelöst. Deshalb wird die Polio-Schluckimpfung seit 1999 nicht mehr angewendet.
Wohl aber gegen andere Krankheiten: So gibt es Schluckimpfstoffe unter anderem gegen Typhus, Rotaviren, Cholera und Tuberkulose.

Schlucken gegen Corona?

Derzeit ist die neu gegründete Firma Oravax dabei, einen Covid-19-Schluckimpfstoff zu entwickeln, damit sich auch die Menschen für eine Corona-Impfung entscheiden, die sie bisher aus Vorbehalten gegen die Spritze abgelehnt haben.
Nach positiven Ergebnissen aus Tierversuchen ist eine Phase-I-Studie ganz aktuell für den Sommer 2021 geplant. Der Impfstoff soll eine erhöhte Wirksamkeit gegen Mutanten des Erregers aufweisen, berichtet die „Pharmazeutische Zeitung“ auf ihrer Webseite.
Magensaftresistente Kapseln sollen den Wirkstoff in den oberen Darm transportieren. Damit er nicht dort abgebaut wird, sondern in die Blutbahn gelangen kann, müssten die Verbindungen zwischen den Zellen des Darmepithels kurzfristig gelockert werden. Das kann mit Hilfe von Stoffen geschehen, die den Kapseln zugesetzt werden. Auch wenn die Prognosen vielversprechend sind: Bis die Schluckimpfung gegen Corona Realität werden kann, ist noch viel Forschungs- und Entwicklungsarbeit nötig.

Impfung über Schleimhäute

Und es gibt noch einen Weg, ohne Nadel zu impfen: Ein Verfahren, bei dem der Impfstoff zerstäubt und durch Inhalieren über die Lungenschleimhaut aufgenommen wird, wurde bereits 2015 mit dem „Nanomedicine Award“ ausgezeichnet. „Ein Vorteil bei der Impfung über die Schleimhäute ist, dass der Impfstoff auf demselben Weg in den Körper gelangt wie viele Krankheitserreger – anders als bei einer Spritze. Das erleichtert es dem Körper, eine wirksame Immunantwort aufzubauen“, informieren die „Lungenärzte im Netz“ auf ihrer Webseite.
Ein weiterer Vorteil des Inhalationsimpfstoffs ist, dass eine ununterbrochene Kühlkette für den Transport und die Lagerung nicht erforderlich ist. Auch gegen Corona könnte eine Impfung über Inhalation oder sogar ein Nasenspray möglich sein. Aber auch hier gilt: Bis tatsächlich ein anwendbares Verfahren entwickelt ist, ist es noch ein weiter Weg. (eva)