Allgemeine Medizin

Hoffnungsvolle Studie zu MS-Medikament

08.09.2022
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Alemtuzumab ist ein Medikament, das vielen Patienten mit Multipler Sklerose (MS) verabreicht wird. Allerdings wird es nicht wie ein „normales“ Präparat täglich eingenommen, sondern idealerweise nur zweimal im Leben. Es wirkt sehr langanhaltend – und zwar, indem es das geschädigte Immunsystem des Patienten praktisch auf Null zurücksetzt und es dann wieder aufbaut. Und zwar so, dass es funktioniert. Der Wirkstoff eliminiert Immunzellen, die das Molekül CD52 auf ihrer Oberfläche tragen, vor allem T- und B-Zellen. Bei den meisten Patienten wirkt es gut und nachhaltig gegen die schubförmige Multiple Sklerose. In manchen Fällen löst das Präparat allerdings im Lauf der Zeit einen Angriff des Immunsystems auf körpereigene Strukturen aus – also das, was es eigentlich bekämpfen sollte. Das zeigt sich dann in Erkrankungen der Schilddrüse, aber auch in Schäden an Blutzellen oder der Niere. Diese Nebenwirkungen werden auch als „sekundäre Autoimmunität“ bezeichnet. Meist treten sie erst langfristig auf, meist zwei bis drei Jahre nach der Erstgabe von Alemtuzumab. Dann ist es natürlich für eine Therapieumstellung längst zu spät. Deshalb muss es das Ziel sein, die Nebenwirkung frühzeitig zu erkennen und dann optimal zu behandeln. Ermöglicht würde dies, wenn verstanden würde, was im Immunsystem des einzelnen Patienten abläuft, bevor er oder sie Nebenwirkungen entwickelt.
Neurologen der Universitäten Münster und Düsseldorf haben jetzt in einer Studie einen möglichen Weg für solche Prognosen gefunden, wie die Fachzeitschrift „Brain“ berichtet. Ihre Erkenntnisse können Patienten mit Multipler Sklerose helfen, die mit Alemtuzumab behandelt werden.
„Neben der grundsätzlichen Entscheidung für oder gegen das Medikament ist der wohl kritischste Zeitpunkt das erste Jahr. Hier wäre es enorm wichtig, wenn wir das Risiko einer sekundären Autoimmunität erkennen oder einschätzen könnten“, so Priv.-Doz. Tobias Ruck, Oberarzt in der Neurologie des Universitätsklinikums Düsseldorf. Ruck hat die jetzt publizierte Studie dazu betreut.
Bei seinen klinischen Studien hat das Team Veränderungen in Blut- und Nervenwasser-Komponenten von MS-Patienten vor und nach der Behandlung mit dem Medikament beobachtet. Parallel wurden die T- und B-Zellrezeptoren charakterisiert und dann die Kombination der Daten analysiert, was einen umfassenden Einblick in die immunologischen Prozesse im Körper des Patienten verschaffte. Die Erkenntnisse lassen nach Auffassung des Forscher-Teams schon vor der Therapie das Risiko schwerer Nebenwirkungen einschätzen. (eva)