Allgemeine Medizin

Diabetes Typ 1 mit Stammzellen heilen?

Insulin ist überlebenswichtig für hunderttausende Typ-1-Diabetiker. Ein neuer Behandlungsansatz verspricht Unabhängigkeit. Eine absehbare Revolution.

12.12.2019
Die Behandlung mit dem YAP-Inhibitor Verteporfin führt zur vermehrten Bildung endokriner Zellen (rot und grün) im Pankreas.   Foto: DanStem Die Behandlung mit dem YAP-Inhibitor Verteporfin führt zur vermehrten Bildung endokriner Zellen (rot und grün) im Pankreas. Foto: DanStem

Sie sind sieben, fünf oder auch nur drei Jahre alt – Kinder, bei denen Diabetes Typ 1 diagnostiziert wird. Die chronische Autoimmunerkrankung zerstört die Insulin produzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse (Pankreas). Ein Schock für die Eltern und ein Wendepunkt im Leben dieser kleinen Menschen. Denn ab sofort müssen sie nach klaren Verhaltensregeln leben und viele Einschränkungen in Kauf nehmen. Sonst drohen teils lebensgefährliche Situationen wie etwa eine Unterzuckerung.

Neue Betazellen herstellen

Während man Typ-2-Diabetes mit einer Ernährungsumstellung und Sport anfangs noch gut in Schach halten kann, gilt der Typ-1-Diabetes als unheilbar. Doch nun gibt es ernst zu nehmende Hoffnungen, dass sich dies in absehbarer Zeit ändern könnte.
Bereits vor einem Jahr kamen Berichte aus dem Helmholtz Zentrum München, dass es möglich sei, aus embryonalen Stammzellen Insulin produzierende Bauchspeicheldrüsenzellen – sogenannte „Insel“- oder „Betazellen“ – herzustellen.

Zellen programmieren

Den Wissenschaftlern um Prof. Dr. Henrik Semb gelang es, die grundsätzlichen Signale herauszuarbeiten, die darüber entscheiden, ob eine Vorläuferzelle sich zu einer endokrinen – also Hormon produzierenden – oder zu einer Gerüstzelle entwickelt. Semb ist Direktor des Instituts für Translationale Stammzellforschung am Helmholtz Zentrum München und Professor am Novo Nordisk Foundation Center for Stem Cell Biology (DanStem) an der Universität Kopenhagen. „Wie in einem Flipperautomaten bewegen sich die Zellen im Pankreas hin und her, wodurch sich ihre Umgebung, die extrazelluläre Matrix, ständig verändert“, erklärt Semb. Der Kontakt mit dem Protein Laminin verringerte in Studien die mechanische Spannung in ihnen und steuerte sie in Richtung endokriner Zellen.

Weitere Forschung nötig

Mittlerweile ist es gelungen, diese neuen Betazellen zu verkapseln und damit vor den Angriffen des fehlgesteuerten Immunsystems zu schützen.
Laut Wissenschaftler Jakob Sten Pedersen, der seit Jahrzehnten für das Unternehmen Novo Nordisk mit Stammzellen forscht, ist es möglich, Typ-1-Diabetikern diese Betazellen in einer flachen, streichholzgroßen Box zu implantieren.
Der Erprobungs- und Zulassungsprozess wird allerdings noch weitere 10 bis 15 Jahre dauern. Trotzdem wäre diese Therapie die Rettung für die rund 300.000 Menschen, die mit der Erkrankung leben müssen, darunter mehr als 30.000 Kinder und Jugendliche unter 19 Jahre – eine echte Revolution.(red)