Sport, Knochen und Gelenke

Neurostimulation bei Knieschmerzen

Knieprothesen sind kein Allheilmittel. Manche haben auch danach noch ständig Schmerzen im Gelenk. Eine neue Therapieoption kann diesen Patienten jetzt helfen.

17.10.2017

Wenn die Schmerzen zu groß sind und alle anderen Maßnahmen nicht greifen, entscheiden sich nicht wenige Kniepatienten für ein künstliches Kniegelenk. In Deutschland bekommen jedes Jahr rund 150.000 Menschen eine solche „Knie-Endoprothese“. Trotz erfolgreicher Operation klagt etwa jeder Zehnte danach auch weiterhin über Beschwerden. „Wir sehen viele Patienten mit einer langen Leidensgeschichte, die schon einige Operationen ohne den gewünschten Erfolg hatten“, sagt Dr. Thomas Randau, Leiter Klinische Studien an der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie am Universitätsklinikum Bonn.
So wie Maria P.: Lange war für sie jeder Schritt unerträglich. Nach einer Gelenkersatz-Operation im linken Knie vor zehn Jahren und mehreren Folgeoperationen litt die 75-Jährige trotz Schmerztherapie weiterhin unter chronischen Schmerzen. Ursache dafür war, dass die schmerzleitenden Nervenfasern gesteigert Impulse an das Rückenmark übermittelten. Doch keine der Maßnahmen half. „Die Schmerzen waren immer da“, erinnert sich Maria P. Sie gab ihre Hobbys Tanzen und Gymnastik auf und musste schließlich sogar auf kurze Alltagsaktivitäten wie einen Stadtbummel ganz verzichten. Denn das Laufen fiel ihr immer schwerer. Durch sorgfältige Prüfung schlossen die Ärzte aber aus, dass Maria P.s Schmerzen direkt durch die Prothese bedingt waren und durch eine orthopädische Maßnahme oder erneute Operation behoben werden konnten.

Überaktive Nerven blockieren

Falls wie bei Maria P. sogenannte neuropathische Schmerzen vorliegen, bieten Orthopäden und Neurochirurgen auch die Spinalganglien-Stimulation (DRG-SCS) als innovative Alternative an. Damit kann man gezielt nur den für das Knie spezifischen Nerv stimulieren.
Der Hintergrund: „Jeder chirurgische Eingriff beeinträchtigt die Nerven im umliegenden Gewebe und es kann sein, dass die Nerven mit einer ständigen Überaktivität reagieren“, erklärt Privatdozent Dr. Thomas Kinfe, Leiter der Neuromodulation an der Klinik für Neurochirurgie am Universitätsklinikum Bonn. „Es kommt zu einem Kurzschluss, der einer krankhaften Signal-Lawine, beginnend im Knie bis zum Kopf, auslöst.“ Hier setzt die Therapie an.
Das Spinalganglion („Dorsal Root Ganglion“, DRG), ein Bündel aus Nervenkernen und -fasern, filtert alle sensorischen und schmerzhaften Reize. Wird der für das Knie zuständige Nerv mittels schwacher elektrischer Signale an seinem Eintrittsort zum Rückenmark stimuliert, wird die Schmerzweiterleitung blockiert.

Rückenmark stimulieren

Dazu implantiert man in einem ersten schonenden Eingriff mittels Katheter eine Elektrode – etwa so dünn wie eine Bleistiftmine – direkt am Spinalganglion in der Nähe des Rückenmarks. Eine kurze Testphase mit einem außen auf der Haut anliegenden Neurostimulator zeigt, ob der Patient tatsächlich einen Nutzen davon hat wie Maria P.: „Ich wollte es selber nicht glauben. Ich hatte plötzlich kaum noch Schmerzen.“ Ist der Patient mit dem Ergebnis zufrieden, wird in einem zweiten Eingriff der Schrittmacher unter die Haut implantiert.
Mit einem leicht zu bedienenden Gerät kann Maria P. kabellos mittels einer App, die eine Verbindung zum Neurostimulator herstellt, die Intensität der elektrischen Impulse jederzeit selbst nach unten oder oben regulieren: „Wenn es gerade leicht anfängt zu kribbeln, ist es genug.“ Mehr spürt die 75-Jährige von der Neurostimulation nicht.
Der Erfolg der Therapie hängt aber auch von der Genauigkeit der Diagnose ab. Deshalb muss man vorher ausschließen können, dass es sich nicht um ein Problem an der Prothese handelt, das man beheben kann und muss. Erst dann kann die neue Option zum Zug kommen.
Maria P. jedenfalls ist zufrieden: „Für mich hat sich der Eingriff gelohnt.“ Sie gehört zu den ersten Patienten, die von der DRG-SCS bei chronischen Schmerzen nach Kniegelenkersatz profitieren konnten. Sie nahm dafür an der weltweit ersten prospektiven Studie teil, die die Wirksamkeit einer Methode über einen längeren Zeitraum klärt.(red)