Sport, Knochen und Gelenke

Entzündliches Rheuma trifft auch Jüngere

Rheuma kann die Gelenke zerstören und die Lebensqualität der Betroffenen stark einschränken. Doch die Bandbreite der neuen, therapeutischen Möglichkeiten ist groß.

28.11.2016

Wenn es im Winter in den Gelenken zieht, sprechen Betroffene, meist ältere Menschen von „Rheuma“. Gemeint ist eine schmerzhafte Erkrankung an den Bewegungsorganen. Doch Rheuma kann jeden treffen. Sogar Kinder. Bundesweit rund 20.000 von ihnen sowie viele andere Menschen jüngeren und mittleren Alters leiden unter einer chronischen, entzündlichen Form von Rheuma, auch „Rheumatiode Arthritis“ genannt. Dabei handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung, bei der das körpereigene Abwehrsystem Gelenke und Gewebe angreift und zerstört. Aber auch Weichteilrheumatismus (med. Fibromyalgie) und die Stoffwechselerkrankung Gicht werden zum rheumatischen Formenkreis gerechnet. Rheuma hat eben viele Gesichter und viele Betroffene. Die Deutsche Rheuma-Liga e.V. rechnet mit 100 verschiedenen rheumatischen Erkrankungen und insgesamt 20 Millionen Betroffenen in Deutschland.

Option Operation

Entzündliches Rheuma hat man heute dank effektiver medikamentöser Therapien recht gut im Griff. Die Anzahl stark zerstörter und deformierter Gelenke ist seit Jahren rückläufig. Erkennt man die Erkrankung jedoch zu spät und ist die chronisch-entzündliche Erkrankung schon zu weit fortgeschritten, sind die Gelenke meist nachhaltig geschädigt. Betroffene leiden dann unter zunehmenden Schmerzen, fühlen sich in ihrer Bewegungsfreiheit mehr und mehr eingeschränkt und kämpfen mit alltäglichen Lebenssituationen. Auf dem 44. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) in Frankfurt diskutierten Experten die Möglichkeiten der chirurgischen Eingriffe bei bereits schwer zerstörten Gelenken. Ihr Fazit: Die operativen Verfahren können die Lebensqualität der Betroffenen deutlich erhöhen. Prothesenimplantationen und Gelenkversteifungen können Betroffenen helfen, den Alltag wieder schmerzfrei sowie mit verbesserter Funktion und Stabilität zu meistern. „Entscheidend für eine erfolgreiche operative Therapie ist die individuelle Abstimmung der chirurgischen Eingriffe auf den Patienten. Hierbei sind insbesondere der Schweregrad der Gelenkzerstörung und die Erwartungen an das Gelenk entscheidend“, betont der Tagungspräsident des DGORh-Kongresses Professor Dr. med. Stefan Rehart. „Je früher der Patient beim orthopädischen Rheumatologen vorstellig wird, umso besser sind die Chancen für ein gutes Gelingen der Operation – unter Umständen lässt sich ein operativer Eingriff sogar vermeiden.“

Gute Prognose mit Prothesen

Für alltagstaugliche Beweglichkeit in Schulter-, Ellenbogen-, Knie- und Hüftgelenken sind Prothesen das Mittel der Wahl. Auch bei schwer geschädigten Gelenken haben sie eine günstige Prognose, vor allem wenn der Bandapparat erhalten ist. „Selbst bei einem fehlenden vorderen Kreuzband am Kniegelenk oder fehlender Muskel-Sehnen-Kappe am Schultergelenk ist eine Implantation von Prothesen möglich“, sagt Professor Rehart. „Für das Knie eignen sich meist Oberflächenersatz-Prothesen zur Stabilisierung mit Wiederherstellung der Beinachse. An der Schulter helfen inverse Prothesen. Diese sind umgekehrt zum normalen Gelenk konstruiert und verlagern den Drehpunkt der Schulter, sodass die Funktion über einen einzigen Muskel ausreichend gewährleistet ist“, erläutert der Chefarzt. Auch an Handgelenk-, Finger- und Zehen- sowie den oberen Sprunggelenken, sogenannten peripheren Gelenken, können Prothesen eine Greiffunktion der Hand, die Beweglichkeit des Fußes oder des großen Zehs beim Gehen ermöglichen.

Letztes Mittel: Gelenkversteifungen

Als „ultima ratio“ – letzte diagnostische oder therapeutische Alternative – werden oft Gelenkversteifungen, sogenannte Arthrodesen, vorgenommen. Ob an Sprunggelenken oder den ganz kleinen Finger- und Zehengelenken, solche Eingriffe können für den Patienten eine erhebliche Verbesserung bedeuten. Führt eine Versteifung zu einem zu hohen Verlust der Gelenkfunktion und ist die Implantation eines künstlichen Gelenks nicht möglich, kann in Einzelfällen auch eine „Resektions-Interpositions-Arthroplastik“ erfolgen. Häufig wird diese zum Beispiel am Daumensattelgelenk durchgeführt: Das defekte Gelenk wird entfernt und die Beweglichkeit über eine Überbrückung mit eigenen Sehnen sichergestellt. „Medizinisch machbar ist heute vieles – auch bei scheinbar aussichtslosen Gelenkzerstörungen“, macht Prof. Rehart Mut. (red)