Herz und Kreislauf

Lärm bringt das Herz zum Flimmern

Mit steigender Lärmbelästigung nimmt auch das Vorhofflimmern zu. Das fanden Wissenschaftler heraus. Fluglärm stand an erster Stelle.

14.06.2018
Flugzeuge belasten auch viele Menschen in der Region.  Foto: AdobeStock / cirquedesprit Flugzeuge belasten auch viele Menschen in der Region. Foto: AdobeStock / cirquedesprit

Ärger, gestörter Schlaf, Erschöpfung und Stresssymptome durch Lärm beeinträchtigen auf Dauer das Wohlbefinden, die Gesundheit und Lebensqualität. Forscher des Zentrums für Kardiologie der Universitätsmedizin Mainz haben nach Auswertung der Gutenberg-Gesundheitsstudie (GHS) festgestellt, dass vor allem die Herzrhythmusstörung Vorhofflimmern bei extremer Lärmbelästigung bis auf 23 Prozent anwächst, während dieser Wert ohne diesen Umwelteinfluss bei nur 15 Prozent liegt. Fluglärm stand dabei mit 84 Prozent tagsüber und 69 Prozent während des Schlafens an erster Stelle. Er übertraf andere Lärmquellen, wie Straßen-, Schienen- oder Nachbarschaftslärm, deutlich.

Zusammenhang nachgewiesen

Die Wissenschaftler untersuchten dafür den Zusammenhang zwischen unterschiedlichen Lärmquellen am Tag sowie in der Nacht beim Schlafen und der am häufigsten vorkommenden Herzrhythmusstörung in der Allgemeinbevölkerung, dem Vorhofflimmern. „Wir haben schon in mehreren Studien an gesunden Probanden, Patienten und auch in vorklinischen Studien den Zusammenhang zwischen Lärm und Gefäßerkrankungen nachweisen können. Bisher fehlten explizite Untersuchungen, inwieweit es einen Zusammenhang zwischen Lärmbelästigung und Herzrhythmusstörungen gibt“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Thomas Münzel, Direktor der Kardiologie I im Zentrum für Kardiologie und Senior Autor der Studie.

Fragebogen ausgewertet

Die GHS ist mit über 15.000 Probanden eine der weltweit größten Studien ihrer Art. Befragt wurden Frauen und Männer aus der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt und dem Landkreis Mainz-Bingen im Alter zwischen 35 und 74 Jahren. Die Teilnehmer waren um eine Einschätzung gebeten worden, wie stark sie in den letzten Jahren durch Straßen-, Schienen-, Bau- und Gewerbe-, Nachbarschafts- sowie Fluglärm belästigt wurden, und zwar am Tag und in der Nacht. Die Lärmbelästigung wurde mit international gebräuchlichen, standardisierten Fragebögen erfasst. Vorhofflimmern wurde aufgrund der Krankengeschichte und/oder anhand des Studien-EKGs diagnostiziert.
„Der Zusammenhang zwischen Lärmbelästigung und Vorhofflimmern ist ein wichtiger Befund, der vielleicht auch erklärt, warum Lärm zu mehr Schlaganfällen führen kann. Man darf aber nicht vergessen, dass Lärm auch zu gesundheitlichen Schäden führt, ohne dass eine Ärgerreaktion vorliegen muss“, so Prof. Münzel.

Lärm trotz Nachtflugverbot

Zudem wurde untersucht, welche Auswirkungen das vom Flughafen Frankfurt am Main eingeführte Nachtflugverbot (23 bis 5 Uhr) vom Oktober 2011 hatte. „Interessanterweise gab es einen signifikanten Anstieg der Fluglärmbelästigung nach Einführung des Nachtflugverbots, und das sowohl am Tag als auch beim Nachtschlaf“, kommentiert Münzel weiter. Dies könne daran liegen, dass trotz des Nachtflugverbotes insgesamt die Zahl der Flugbewegungen nicht abgenommen hat und man diese in die Randstunden von 22 bis 23 Uhr und 5 bis 6 Uhr konzentriert, so Prof. Münzel. Die Konsequenzen wären unter anderem eine Ausdehnung des Nachtflugverbotes auf 22 Uhr bis 6 Uhr morgens – ein Zeitraum, der in der Länge dem gesetzlich definierten Nachtzeitraum entspricht.
Die Wissenschaftler weisen jedoch darauf hin, dass lediglich die Lärmbelästigung gemessen wurde und nicht der physikalische Lärm. In jedem Fall aber unterstreichen die Befunde, dass Lärmbelästigung ein verbreitetes und ernstzunehmendes Problem für die Gesundheit darstellt.

Screening gegen Schlaganfälle

Vorhofflimmern ist eine Herzrhythmusstörung, die dazu führen kann, dass sich im Herzvorhof Blutgerinnsel bilden. Gelangen diese ins Gehirn, kommt es zum Schlaganfall. Laut World Heart Federation erleiden jedes Jahr 15 Millionen Menschen einen Schlaganfall. Von diesen versterben knapp sechs Millionen, weitere fünf Millionen tragen bleibende Schäden davon. Vorhofflimmern ist für ein Drittel aller Schlaganfälle verantwortlich.
Experten plädieren deshalb für ein Screening auf Vorhofflimmern für Menschen ab 65 Jahren. Wird Vorhofflimmern rechtzeitig erkannt, kann einem Schlaganfall z. B. mit blutverdünnenden Medikamenten vorgebeugt und der Schweregrad der Schlaganfälle abgemildert werden. (ok/red)