Gehirn, Psyche und Verhalten

Die Kraft der „sprechenden Medizin“

Dass mehr Erklärung und Hinwendung zum Patienten Wunder wirken kann, ist schon länger bekannt. Neue Studien zeigen nun, dass auch die Wortwahl des Arztes das Krankheitsgeschehen stark beeinflussen kann.

20.02.2017

Die Redezeit der Patienten beim Arzt ist in der Regel sehr begrenzt. Nur zehn Minuten hat der Doktor im Durchschnitt Zeit für das Anliegen eines Kranken. Im Schnitt alle 15 Sekunden unterbricht er ihn. Geschlossene Fragen, die nur noch mit Ja oder Nein beantwortet werden können, dominieren. Echtes Zuhören ist so kaum noch möglich. So bleiben viele Informationen, die für die Lösung des gesundheitlichen Problems wichtig wären, auf der Strecke. Dabei empfiehlt zum Beispiel die Ärztekammer Nordhrein in einem Gesprächsleitfaden für ihre Mitglieder, dem Patienten Raum zu lassen, seine Probleme „ausreichend deutlich darzustellen“, abzuwarten und das Verstandene zu wiederholen.
Doch auch was während der Behandlung gesprochen wird, hat eine große Wirkung auf die Akzeptanz der Therapie und den Genesungsprozess. Studien zeigen, dass Begriffe wie „stechen“, „wehtun“ oder „Schmerz“ oder die Fokussierung auf die wenigen Risiken einer Behandlung Angst und Schmerz beim Patienten verstärken. Beruhigende Worte, die das Heilsame, Unterstützende und Lindernde einer Therapie betonen, würden deren Akzeptanz und deren Erfolg dagegen erhöhen.
Selten scheitert ein ausführliches Gespräch in der „Sprechstunde“ am mangelnden Willen des Arztes. Häufig ist der Termindruck oder schlechte Bezahlung schuld. Dabei haben Forscher längst nachgewiesen, dass Worte oft mehr bewirken können als so manches Medikament und dass eine größere Hinwendung und Empathie in der Behandlung den Heilungsprozess verbessern kann. Die große Anzahl an psychosomatischen Erkrankungen zeigt, wie viele Krankheiten durch eine verwundete Psyche ausgelöst werden. (red)