Frauen- und Männergesundheit

Reden über Inkontinenz lohnt sich!

Millionen Frauen sind betroffen. Und doch wagt es kaum eine, über die Tabu-Krankheit zu sprechen. Dabei könnten einfache Eingriffe das stille Leiden beenden und die Lebensqualität zurückbringen.

11.10.2016
Foto: Alexander Sell

Dr. Clara Park
Radiologin
RNS Gemeinschaftspraxis
Wiesbaden



Der Leidensdruck für die Betroffenen ist groß, doch kaum einer redet von sich aus darüber. Inkontinenz ist in unserer tabulosen Gesellschaft tatsächlich immer noch ein Tabu-Thema. Verständlich. Denn wer mag gerne zugeben, dass er seine Ausscheidungen nicht mehr kontrollieren kann? Trotzdem wäre es besser, sich Hilfe zu holen, je früher desto besser. Denn heute gibt es sichere Therapien, die das Leiden schnell beenden.

Bänder, Hormone oder Nerven

Schätzungen zufolge leiden 25 Prozent aller Frauen zwischen 25 und 35 Jahren, die gerade entbunden haben, vorübergehend an einer Stress- oder Belastungsinkontinenz. Der Grund: Das Pressen während der Austreibungsphase des Kindes führt zu einer Absenkung der Gebärmutter. Aber auch eine vererbte Bindegewebsschwäche, häufige Blasenentzündungen, jahrelange heftige körperliche Arbeit und ein Östrogenmangel können ähnliche Folgen haben (www.selbsthilfeverband-inkontinenz.org). Anders bei der Dranginkontinenz. Hierbei handelt es sich um eine Überempfindlichkeit oder eine Hyperaktivität der Blase. Fehlgesteuerte Blasenneuronen behindern den korrekten Informationsaustausch zwischen Gehirn und Blase. Dadurch lässt sich der Entleerungsimpuls nicht mehr steuern. Zu 70 Prozent handelt es sich jedoch um eine Mischform, bei der eine Stressinkontinenz meist überwiegt.

Schnelle Diagnose, gute Lösungen

Welche Inkontinenzart vorliegt, kann der Gynäkologe durch Befragen und eine spezielle Untersuchung (Urodynamik) erkennen. Auch eine Absenkung der Gebärmutter kann der Facharzt durch eine Tastuntersuchung und per Ultraschall diagnostizieren. Sie ist immer ein Indiz dafür, dass ein Kontinenzproblem im Raum stehen könnte und sollte, falls es die Frau nicht tut, vom Arzt nachgefragt werden. Bestätigt sich der Verdacht, rät dieser meist dazu, ein Miktionstagebuch zu führen. Darin werden die Frauen aufgefordert, die Zeiten, Situationen und Begleitumstände festzuhalten, in denen der Blasenschließmuskel seinen Dienst versagt.

Beckenbodentraining oder Operation

Ist eine Gebärmuttersenkung schuld, können Frauen bis Mitte 40 den Beckenboden mit einer entsprechenden Gymnastik noch selbst wieder stärken. Dieses Verfahren ist – regelmäßig angewendet – recht erfolgreich, jedoch nur im gebärfähigen Alter und bei einer leichten Inkontinenz. Sind die Beschwerden größer oder ist man älter, gibt es laut Bundesverband für Gesundheitsinformation und Verbraucherschutz zwei Therapieoptionen bei Stressinkontinenz: die Entfernung der Gebärmutter und/oder eine „Bändchen-OP“. Ist die Familienplanung abgeschlossen, raten Frauenärzte meist zu einer Entfernung, andernfalls zur zweiten Lösung. Zur Behandlung der Dranginkontinenz werden Medikamente eingesetzt, sogenannte Anticholinergika. Sie bremsen die Aktivität der Blase und helfen so bei einer kontrollierten Entleerung. (red)